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Wie wir Selfies wahrnehmen

Psychologie

Wie wir Selfies wahrnehmen
Forscher haben untersucht, welche grundlegenden Assoziationen Selfies bei Betrachtern hervorrufen. carles miro/iStock

Per Handy aufgenommene Selbstporträts sind in sozialen Medien allgegenwärtig. Dabei erfüllen sie verschiedene Aufgaben: Sie sollen uns besonders attraktiv erscheinen lassen, Aufschluss über unsere Stimmung geben oder eine Situation dokumentieren, in der wir uns gerade befinden. Doch wie wirken sie tatsächlich auf andere? Eine Studie hat nun erhoben, welche Assoziationen Testpersonen beim Betrachten zufällig ausgewählter Selfies haben. Viele Menschen achten demnach auf die Ästhetik von Selfies. Zudem versuchen sie, sich anhand der Bilder in die jeweilige Person hineinzuversetzen und auf ihre Stimmung und ihren Charakter zu schließen.

Schon lange vor Entwicklung der ersten Smartphones nutzten Menschen Selbstporträts, um Informationen über sich selbst mitzuteilen. Bereits vor mehr als 500 Jahren brachten Maler ihr eigenes Gesicht auf Leinwand und hoben dabei oft bestimmte Merkmale besonders hervor. Heutige Selfies dagegen lassen sich schneller und intuitiver erstellen. Mit dem Handy am ausgestreckten Arm oder am Selfie-Stick braucht es nur einen Klick, um sich selbst abzulichten, und wenige weitere, um das Foto mit der Welt zu teilen.

Wirkung auf Betrachtende

Mehrere Studien haben sich bereits damit beschäftigt, wie sich Selfies auf das Selbstbild auswirken und wie sie die abgebildete Person besonders schlank, freundlich oder intelligent wirken lassen. „Die meisten Forschungsarbeiten vernachlässigen jedoch die assoziativen Faktoren, die die Betrachterinnen und Betrachter im Kopf haben, wenn sie sich in unserer Selfie-orientierten Welt umsehen“, sagt Claus-Christian Carbon von der Universität Bamberg. Gemeinsam mit seinem Kollegen Tobias Schneider hat er daher einen anderen Ansatz gewählt: „Wir haben untersucht, was Selfies mit den Betrachterinnen und Betrachtern machen und welche Absicht sie hinter den Selfies erkennen.“

Dazu stellten die Forscher einen Pool aus 1001 Selfies zusammen, die per Hand oder Selfie-Stick aufgenommen wurden und das Gesicht oder den gesamten Körper der abgelichteten Person zeigen. In einer Online-Studie baten sie 132 Testpersonen, zu jeweils 15 zufällig ausgewählten Bildern aus diesem Pool ihre spontanen Assoziationen in fünf Begriffen aufzuschreiben. Schneider und Carbon werteten diese Reaktionen aus und teilten sie in insgesamt 26 Kategorien ein, darunter Anmerkungen zur Bildkomposition wie „verpixelt“ oder „künstlerisch“, zu Kleidung, Stil und Attraktivität der Person, zum Aufnahmeort sowie zur vermuteten Stimmung und Motivation der Person.

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Assoziationen kategorisiert

Anschließend analysierten die Wissenschaftler, wie häufig diese Kategorien in den Antworten vorkamen und ob sie gemeinsam auftraten. Auf diese Weise stießen sie auf fünf sogenannte semantische Profile, also Cluster von Kategorien in den Antworten: Das größte Cluster definieren die Autoren unter dem Begriff „Ästhetik“. Es fasst Assoziationen zusammen, die mit der Bildkomposition sowie mit Äußerlichkeiten der Person zusammenhängen. Das zweitgrößte Cluster, dem die Forscher den Begriff „Imagination“ zuordnen, umfasst Überlegungen dazu, was die Person auf dem Selfie macht und um was für eine Person es sich handelt, beispielsweise, ob sie sich gerade auf dem Weg zur Arbeit befindet und welcher Tätigkeit sie nachgeht.

Weitere Cluster betitelten die Autoren mit „Charakterzug“, „Gemütszustand“ und „Theorie des Geistes“. Diese Cluster enthielten Assoziationen zur Persönlichkeit der abgebildeten Person, zu ihrer Stimmung sowie Vermutungen zu ihren Motiven und ihrer Identität. „Die semantischen Profile stehen jeweils für eine ganz eigene Art der Botschaft, die mit den Selfies verbunden ist“, erläutert Tobias Schneider. „Die Cluster sind wie Archetypen der Kommunikation im digitalen Zeitalter zu verstehen.“ Da alle Assoziationen allein auf den Fotos beruhten, ohne zusätzliche textliche Informationen wie Bildbeschreibungen oder Hashtags, folgern die Autoren, dass die Selfies allein genügen, um spezifische Nachrichten über uns selbst an die Außenwelt zu übermitteln.

Kompakte visuelle Nachricht

„Unsere Studie trägt zum Verständnis dafür bei, wie Selfies die Betrachtenden dazu bringen, bestimmte Qualitäten der selbst dargestellten Person in einer sehr kompakten visuellen Form wahrzunehmen“, schreiben Schneider und Carbon. In zukünftigen Untersuchungen wollen sie in größeren, vielfältigeren Stichproben untersuchen, inwieweit die Botschaften kulturübergreifend verstanden werden. Zudem wollen sie auch die Perspektive der Personen einbeziehen, die die Selfies erstellen, und so herausfinden, ob tatsächlich die beabsichtigte Nachricht übermittelt wird.

Quelle: Tobias Schneider (Universität Bamberg) et al., Frontiers in Communication, doi: 10.3389/fcomm.2023.1233100

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