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Wie sich Kunstgenuss im Gehirn widerspiegelt

Gesellschaft|Psychologie

Wie sich Kunstgenuss im Gehirn widerspiegelt
Kunst, die viele Menschen anspricht: van Goghs „Sternennacht“. (Bild bereitgestellt vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik)

Was geht in unserem Kopf vor, wenn wir beispielsweise den Anblick der „Sternennacht“ von van Gogh genießen? Eine Neuroästhetik-Studie zeigt nun, wie es nur bei ästhetischen Empfindungen zu einem Zusammenwirken von nach außen und nach innen gerichteten Prozessen kommt: Nur wenn uns Kunst anspricht, verarbeitet das Gehirn die äußeren Eindrücke in Kombination mit mentalen und emotionalen Reaktionen.

Seit Jahrhunderten beschäftigen sich Künstler und Philosophen mit Fragen rund um das Phänomen der ästhetischen Empfindungen des Menschen. Heute können Forscher dem Thema allerdings tiefer auf den Grund gehen, als jemals zuvor: In den letzten 20 Jahren hat sich dazu eine neue Forschungs-Disziplin entwickelt – die Neuroästhetik. Sie beschäftigt sich mit den nervlichen Prozessen, die hinter den ästhetischen Empfindungen stecken.

Betrachtern ins Hirn geblickt

Bisherige Studien haben bereits gezeigt, wie Kunstwerke visuelle sowie belohnende Systeme im Gehirn aktivieren, wenn der Betrachter sie als ästhetisch wahrnimmt. Die Empfindungen entfalten sich dabei über eine vergleichsweise lange Zeitspanne hinweg, obwohl das Kunstwerk dabei unverändert bleibt. Am Beispiel der „Sternennacht“ von van Gogh wird dies deutlich. Dem Betrachter fällt möglicherweise zunächst die vorherrschende Farbe Blau auf. Bei genauerer Betrachtung erregen dann die Sterne und Farbringe um sie herum die Aufmerksamkeit. Schließlich wandert der Blick dann zu dem kleinen Dorf und seinen Details. Dabei wirken das Blau des Himmels und die Sterne weiter nach. Während wir das Gemälde erkunden, verändert sich somit unsere Wahrnehmung und damit einhergehend auch die ästhetische Empfindung. Was bei diesen dynamischen Prozessen im Gehirn vorgeht, haben nun die Forscher um Amy Belfi von der Missouri University of Science and Technology genauer untersucht.

Sie nutzten dazu die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) – ein bildgebendes Verfahren zur Untersuchung der Hirnaktivität. Mit dieser Technik blickten die Wissenschaftler Probanden ins Gehirn, während diese Abbildungen von Kunstwerken betrachteten. Im Fokus der Forscher stand dabei ein System von Hirnarealen, das als „Default Mode Network” (DMN) bezeichnet wird. Es ist für reflektierende mentale Prozesse zuständig – sozusagen für unser geistiges Innenleben. Das DMN versetzt uns etwa in die Lage, unabhängig von äußeren Reizen zu denken, zum Beispiel in Form von Tagträumen oder Zukunftsplänen. Es ist bekannt, dass die Aktivität dieses System abnimmt, wenn wir mit äußeren Reizen konfrontiert sind: Wenn wir etwas aufmerksam betrachten, wird das DMN normalerweise heruntergefahren und es dominieren stattdessen sensorische Gehirnregionen.

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Nur bei Kunstgenuss

In diesem Zusammenhang stellten die Forscher bei ihren Experimenten nun einen interessanten Effekt fest: Wenn die Probanden ein Kunstwerk ästhetisch ansprechend fanden, wurden Teile des DMN bei der Betrachtung wieder aktiv, obwohl der Fokus auf der Außenwelt – dem Kunstwerk – lag. Sahen Studienteilnehmer hingegen ein Kunstwerk am Bildschirm, das sie anschließend als nicht attraktiv einstuften, wurde die DMN nicht wirksam. Im Gegensatz dazu blieb die DMN bei attraktiven Kunstwerken so lange aktiv, bis das Bild vom Bildschirm verschwand. „Wir konnten zeigen, dass es sich um einen außergewöhnlichen Hirnzustand handelt, der offenbar für eine bewegende ästhetische Erfahrung typisch ist“, sagt Belfi.

Dass uns Kunstwerke nachhaltig beeindrucken, basiert demnach auf dem Zusammenwirken des nach innen gerichteten DMN und den nach außen gerichteten Sinneseindrücken. Mit anderen Worten: Ästhetisch ansprechende Kunstwerke aktivieren einen außergewöhnlichen Prozess im menschlichen Gehirn, der sowohl äußere Reize als auch mentale und emotionale Reaktionen umfasst.

Quelle: Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, NeuroImage: https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2018.12.017
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