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Verräterischer Hüftschwung

Gesellschaft|Psychologie

Verräterischer Hüftschwung
Wie jemand tanzt, sagt eine Menge über seine Persönlichkeit aus.

Vom Stammestanz der Massai in Kenia bis zur Techno- Party im angesagten Berliner Club – getanzt wird in allen Kulturen. Die rhythmischen Bewegungen zur Musik machen nicht nur Spaß, sie erfüllen auch viele wichtige Aufgaben: Götter beschwören, Regen bringen, Gegner beeindrucken, Gemeinschaft und Kampfesgeist stärken. Die aus evolutionärer Sicht wohl wichtigste Funktion aber dürfte die Balz sein. Da unterscheiden die Menschen sich wenig von vielen Tierarten, die wunderbare Tänze aufführen, um potenzielle Partnerinnen zu beeindrucken oder Konkurrenten einzuschüchtern.

Dass die Tanzerei messbare Wirkungen auf die Zuschauer hat, zeigen die Studien einer Forschergruppe der Universität Göttingen und der Northumbria University im britischen Newcastle. Die Wissenschaftler wollten jüngst wissen, welcher Tanzstil von Männern am attraktivsten wirkt und ob die Qualität des individuellen Tanzstils von bestimmten körperlichen Faktoren abhängt.

Zeig mir, wie du tanzt…

Viele Discobesucher dürften sich schon gefragt haben, welcher Tanzstil eigentlich besser beim anderen Geschlecht ankommt: cool und reduziert oder raumgreifend dynamisch? Und dann stellt sich noch die Frage: Sind die hinreißenden Tänzer tatsächlich auch tolle Hechte? Erlaubt der Tanzstil überhaupt Rückschlüsse auf die Persönlichkeit eines Tänzers?

Der Göttinger Evolutionspsychologe Bernhard Fink erforscht seit Jahren, wie unser Verhalten vom biologischen Erbe geprägt wird: Strategien bei der Partnerwahl, nonverbale Kommunikation oder die Wahrnehmung von Attraktivität – im Alltag blitzt dieses Erbe immer noch auf, auch beim Tanz. Fink und seine britischen Kollegen ließen 30 Männer im Alter von 19 bis 37 Jahren zu einem einfachen Standardrhythmus tanzen und filmten sie dabei. Zuvor hatten sie die Herz-Kreislauf-Fitness sowie die Kraft in Beinen, Armen und Händen gemessen.

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Dann konvertierten die Forscher die Aufnahmen in humanoide Figuren, sogenannte Avatare, um die Aufmerksamkeit ganz auf die Bewegungen zu lenken. So war der einzelne Tänzer mit seinen optischen Vorzügen oder Makeln nicht mehr zu erkennen. 48 weitere Frauen und Männer bewerteten dann die Tanzstile. Das Ergebnis: Je vielseitiger, schneller und ausholender die Bewegungen sind, umso attraktiver wirkt der Tanzstil – übrigens auf Frauen wie Männer gleichermaßen. Minimalistische Stile dagegen kommen weniger gut an.

Beeinflussen Kraft und Fitness die Qualität des Tanzstils? Die Auswertung der Daten zeigte: Die Herz-Kreislauf-Fitness und die Kraft in den Beinen stehen nicht in Zusammenhang mit einem attraktiven Tanzstil, wohl aber die Kraft im Oberkörper. Die Bewegungen der Tänzer mit großer Hand- und Armkraft wurden als besonders attraktiv wahrgenommen.

Den Sinn dahinter erklärt Fink so: „Kraft im Oberkörper steht in Zusammenhang mit der Fähigkeit zu kämpfen. Und aus Sicht der Evolution ist die Möglichkeit, die Kraft anderer Männer insbesondere vor potenziellen Konflikten einschätzen zu können, sehr sinnvoll. Tanzbewegungen geben Informationen über wichtige Eigenschaften wie Stärke und Gesundheitszustand. So zeigen sich Aspekte männlicher Partnerschaftsqualitäten. Männer wie Frauen sind in der Lage, diese Hinweise zu entschlüsseln.”

Tanzende Menschen geben sogar noch viel mehr von sich preis als ihre körperliche Stärke: In einer weiteren Studie zeigte Fink mit den Kollegen der Northumbria University, dass tanzende Frauen auf Männer attraktiver wirken, wenn sie sich gerade in der fruchtbaren Phase ihres Zyklus befinden. Auch das hat einen evolutionär wichtigen Grund: So wird für mehr Nachkommen gesorgt.

Offenbart der Tanzstil auch Facetten der Persönlichkeit? Dieser Frage ging Nadine Hugill, Doktorandin am Institut für Soziobiologie und Anthropologie der Universität Göttingen nach. Sie ließ 50 männliche Tänzer von 60 Frauen bewerten und fand dabei einen klaren Zusammenhang zwischen der Attraktivität des Tanzstils und dem Persönlichkeitsmerkmal der Risikobereitschaft („ sensation seeking”).

Menschen, bei denen diese Eigenschaft stark ausgeprägt ist, suchen ständig nach Spannung, Abenteuern und neuen Erlebnissen, und sie verabscheuen Langeweile. Dieser Charakterzug signalisiert Gesundheit und Vitalität und wirkt auf Frauen sehr anziehend. Tatsächlich wurde der Tanzstil der Männer mit einem stärkeren Hang zum Abenteuer als attraktiver bewertet. Ihr vitaler Erlebnishunger spiegelt sich offenbar in ihrer Art zu tanzen wider. Und eine weitere Studie zeigte, dass auch verträgliche und gewissenhafte Persönlichkeitstypen, die als Partner ebenfalls gefragt sind, einen attraktiv wirkenden Tanzstil haben.

… und ich sag dir, wer du bist!

Dem geschulten Auge offenbart sich auf dem Tanzboden also eine ganze Menge. Geht man als Forscher mit all diesem Wissen im Hinterkopf überhaupt noch gerne zum Tanzen? „Ja”, schmunzelt Bernhard Fink, „wir sehen das ganz entspannt – zum Glück. Es wäre schlimm, wenn wir beim Thema Partnerwahl und Attraktivität alles durch die wissenschaftliche Brille sehen würden.” Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Es ist eher umgekehrt: Für die nötige Objektivität in der Forschung muss man sehr darauf achten, keine Vorurteile aus den eigenen Erfahrungen einzubeziehen.” ■

EVA TENZER, freie Wissenschaftsjournalistin in Berlin, schaut das nächste Mal genau hin, wenn sie Tango Argentino tanzt.

von Eva Tenzer

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