Stradivari-Geigen sind legendär – jede der noch 550 erhaltenen Violinen trägt sogar ihren eigenen Namen und bei Versteigerungen erzielen sie Preise in Millionenhöhe. Ihr Klang soll geradezu etwas Magisches an sich haben – das schien lange unbestritten. Einige Studien haben sich deshalb auch zunächst nur mit der Frage befasst, warum Stradivari-Geigen so besonders klingen. Ungewöhnliches Holz, spezielle Fertigungsmethoden und sogar Holzwürmer wurden schon für das angeblich unvergleichliche Timbre verantwortlich gemacht.
Kritisch hingehört
Die Forscher um Claudia Fritz von der Universität Paris haben sich hingegen der Erforschung der Grundlage des Stradivari-Mythos gewidmet: Sie stellen die fast ketzerisch wirkende Frage: Inwieweit ist denn das Schluchzen dieser betagten Star-Geigen dem Klang moderner Geigen tatsächlich überlegen? Bereits 2014 kamen Blindtests der Forschergruppe dabei zu einem ernüchternden Ergebnis: Renommierte Violinisten konnten nicht feststellen, ob sie mit verbundenen Augen auf einer Stradivari oder einer modernen Geige gefiedelt hatten. Bei ihren Beurteilungen gaben sie den neuen Instrumenten sogar eher den Vorzug.
In einer zweiten Studie sind Fritz und ihre Kollegen dann zum Publikumstest in Konzerthallen übergegangen. Zu den angeblich unübertrefflichen Qualitäten der Stradivari-Geigen gehört nämlich auch, dass sie in Räumen erstaunliche Klanggewalt entwickeln können. Um diese Behauptung zu überprüfen, führten Fritz und ihre Kollegen erneut Vergleichstests zwischen drei Stradivari-Geigen und drei modernen Spitzen-Violinen durch. Konkret ging es um die Frage: Welche Instrumente sind im Publikum besser zu hören, und welche werden bevorzugt? Bei den Probanden handelte es sich um musikalisch gebildete Personen. Der Geigenspieler fiedelte bei den Experimenten hinter einem Sichtschutz, damit sich die Probanden nicht vom Anblick der jeweiligen Geige beeinflussen lassen konnten.
Vom Thron geschubst
Aus den Auswertung der Beurteilungen ging hervor: Die Probanden attestierten den neuen Violinen im Durchschnitt eine bessere Schall-Projektion ins Publikum. Auch bei der Beurteilung des Klangs schnitten die Stradivaris schlechter ab: Sowohl bei einer Präsentation mit als auch ohne Orchesterbegleitung bevorzugten die Musikkenner den Klang der modernen Geigen. Direkt danach befragt, ob sie glaubten, eine Stradivari gehört zu haben oder nicht, waren ihnen keine zuverlässigen Aussagen möglich.
Das Fazit der Forscher lautete deshalb: Weder renommierte Violinisten noch das Publikum können die angeblich unübertrefflichen Qualitäten der Stradivaris tatsächlich wahrnehmen. Offenbar scheint demnach eher nur der Klang des Namens Stradivari unübertrefflich. Die Stradivari-Geigen bleiben damit natürlich wundervolle Instrumente – aber auch moderne Geigenbauer können eben brillante Violinen hervorbringen.
Quelle: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1619443114