Im Rahmen des ersten Teils der Studie haben die Forscher um Anja Iseke von der Hochschule Ostwestfalen-Lippe und Kerstin Pull von der Universität Tübingen 294 weibliche und männliche Studierende befragt. 63 Prozent von ihnen studierten Wirtschaftswissenschaften, 56 Prozent waren Masterstudierende und 78 Prozent hatten bereits Praxiserfahrung. Diesen Probanden zeigten die Forscher ein Stellenangebot eines fiktiven Automobilzulieferers für eine Anstellung als Management Trainee.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden dabei in Gruppen aufgeteilt: Der ersten wurde nur die Stellenausschreibung präsentiert, die zweite und dritte bekamen zusätzlich Informationen über flexible Arbeitszeitmodelle und Kinderbetreuung in dem Unternehmen. Ergänzt wurden sie durch eine persönliche Aussage zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Einmal wurde dies von einer Mutter und einmal von einem Vater präsentiert. Anschließend sollten alle Befragten ihr Interesse ausdrücken, sich bei dem Unternehmen zu bewerben.
“Moderne” Männer sind gern gesehen
Es zeigte sich: In jedem Fall scheint sich eine familienfreundliche Präsentation zu lohnen.
Sowohl die Bewerbungsneigung der weiblichen als auch der männlichen Studienteilnehmer war höher, wenn das Unternehmen mit Familienfreundlichkeit wirbt. Für männliche Absolventen machte es dabei aber keinen Unterschied, ob dies von einer Frau oder einem Mann vermittelt wurde. Weibliche Absolventen zeigten jedoch ein höheres Interesse an einer Bewerbung, wenn ein Mann das Thema präsentiert hatte.
“Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere leistungsmotivierte Studentinnen eher geneigt sind, sich bei einem Unternehmen zu bewerben, wenn es familienfreundliche Human-Ressource-Praktiken offeriert, indem es mit stereotypen Geschlechterrollen bricht”, sagt Iseke. “Damit signalisiert das Unternehmen, dass es die Balance zwischen Familie und Beruf nicht als frauenspezifisches Thema versteht”, interpretiert die Wissenschaftlerin.
Quotenfrauen ziehen nicht
An der zweiten Teilstudie haben 303 Studierende teilgenommen. Auch ihnen präsentierten die Forscher eine Ausschreibung für eine Stelle als Management Trainee bei einem fiktiven Unternehmen. In diesem Fall geschah dies aber in Verbindung mit Informationen über die Geschäftsführung. Wieder gab es dabei unterschiedliche Versionen: Eine rein männliche Führungsriege, eine Geschäftsführung mit fünf Männern und einer Frau, die für “Personal- & Sozialwesen” zuständig ist und eine Geschäftsführung mit einer Leiterin des Ressorts “Finanzen & Controlling”.
In den Befragungsergebnissen der Probanden über ihre Bewerbungsneigung zeichnete sich ab: Im Gegensatz zu den männlichen Studienteilnehmern berücksichtigten die Studentinnen die Präsenz von Frauen in der Geschäftsführung. Allerdings mit einem auffälligen Aspekt: Hat das Unternehmen einen weiblichen Personalvorstand, sinkt die Bewerbungsneigung der Studentinnen sogar im Vergleich zu der rein männlichen Geschäftsführung. Steht die Frau hingegen für das Finanzressort, steigt die Bewerbungsneigung.
“Ein weiblicher Personalvorstand in einer männerdominierten Geschäftsführung wird von den Studentinnen offenbar als Signal dafür interpretiert, dass Geschlechterstereotypen die Personalpraktiken des Unternehmens prägen”, erklärt Iseke. Bei den ergänzenden Interviews mit den Probanden wurde in diesem Zusammenhang deutlich: “Die Personalchefin wird häufig als Quotenfrau wahrgenommen. Im Gegensatz dazu interpretieren die Befragten eine Frau als Leiterin einer männlich dominierten Funktion als Signal dafür, dass Geschlechterstereotype in dem Unternehmen keine Rolle spielen und Beförderungsentscheidungen tatsächlich leistungsgerecht und geschlechtsneutral erfolgen”, sagt die Expertin für Personalmanagement.