Vom Draufgänger bis zum Angsthasen – bei der Risikobereitschaft gibt es bekanntlich große individuelle Unterschiede. Klar ist: Persönliche Erfahrungen prägen die Entwicklung dieses charakterlichen Merkmals. Doch inwieweit spielt auch die genetische Veranlagung dabei eine Rolle? Forscher haben nun genetische Varianten identifiziert, die mit dem Merkmal verbunden sind. Wie risikobereit ein Mensch ist, lässt sich aber dennoch nicht am Erbgut ablesen, betonen die Wissenschaftler.
Genaugenommen gleichen wir uns alle stark: Vergleicht man das Genom von zwei Personen, sind über 99 Prozent des Erbguts identisch – die genetische Variation umfasst weniger als ein Prozent. Dieser kleine Unterschied hat für uns allerdings große Bedeutung – er macht Menschen individuell. Einige der Variationen sind für äußerliche Merkmale verantwortlich, wie etwa Körpergröße, Geschichtszüge oder Augenfarbe. Andere genetische Besonderheiten haben hingegen subtilere Wirkungen auf unsere Eigenschaften. Darüber hinaus ist bekannt, dass die genetische Veranlagung eines Menschen auch seine charakterlichen Merkmale prägen kann.
Der genetischen Signatur der Risikofreude auf der Spur
In diesem Zusammenhang hat sich ein internationales Forscherteam um Jonathan Beauchamp von der Universität von Toronto nun den möglichen Verknüpfungen zwischen genetischen Varianten und der Risikobereitschaft von Menschen gewidmet. Grundlage der Forschungsfrage bildeten frühere Untersuchungen an eineiigen Zwillingen. Vergleiche an diesen genetisch identischen Geschwisterpaaren wiesen darauf hin, dass es bei der Ausprägung von Risikofreude auch eine genetische Komponente gibt. Dieser Spur sind die Forscher nun durch eine sogenannte Assoziationsstudie nachgegangen. Dabei versuchen Genetiker durch großangelegte Vergleiche Verknüpfungen zwischen genetischen Besonderheiten und speziellen Eigenschaften von Lebewesen aufzudecken.
Im Rahmen ihrer Studie analysierten die Forscher die Genome von knapp einer Million Studienteilnehmern und setzten diese Ergebnisse in Verbindung mit speziellen Befragungsergebnissen der Probanden. Diese hatten den Grad ihrer Risikobereitschaft selbst eingeschätzt und zudem Angaben über Neigungen zu einigen Verhaltensweisen gemacht, in denen sich der Grad ihrer Risikobereitschaft widerspiegelt: Freude an rasantem Autofahren, wechselnde Sexualpartner, Tabakkonsum, Alkoholgenuss und so weiter.
Assoziierte Genvarianten – aber keine Marker
Wie die Forscher berichten, kristallisierten sich 124 bisher unbekannte Genvarianten heraus, die mit der Risikobereitschaft von Menschen beziehungsweise mit deren Risikoverhalten zu tun haben. Die Wissenschaftler betonen allerdings, dass nicht-genetische Faktoren für die Ausprägung der Risikofreude deutlich wichtiger sind als die genetischen Faktoren. Dennoch zeigen die in der Studie identifizierten genetischen Varianten einige interessante biologische Mechanismen auf, welche die Risikobereitschaft einer Person beeinflussen.
Wie die Wissenschaftler berichten, befinden sich die 124 genetischen Varianten in 99 verschiedenen Regionen des Genoms. Es gibt ihnen zufolge Hinweise darauf, dass einige die Regulation der Neurotransmitter Glutamat und GABA beeinflussen. Dies erscheint plausibel: Glutamat ist der am häufigsten vorkommende Neurotransmitter im Körper und fördert die Kommunikation zwischen Neuronen, während GABA sie hemmt. “Unsere Ergebnisse verweisen letztlich auf die Rolle bestimmter Gehirnregionen – insbesondere des präfrontalen Kortex, der Basalganglien und des Mittelhirns, die bereits zuvor in neurowissenschaftlichen Studien als wichtig im Rahmen der Entscheidungsfindung identifiziert wurden”, sagt Beauchamp.
Wie die Wissenschaftler abschließend betonen, handelt es sich bei ihrer Studie um eine der ersten Untersuchungen, die Genvarianten mit Verhaltensweisen verknüpft haben, die für die sozialwissenschaftliche Forschung relevant sind. Es handelt sich somit um einen weiteren Schritt am Anfang des Weges, der zu einem besseren Verständnis der Rolle der Genetik bei der Entwicklung von menschlichen Verhaltensweisen führen soll.
Quelle: Jonathan Beauchamp (University of Toronto) et al., Nature Genetics, doi: 10.1038/s41588-018-0309-3