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Gegenwind

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Gegenwind
Für sauberen Strom sind fast alle. Doch zu einem Ökostrom-Anbieter zu wechseln oder Windräder und neue Stromtrassen zu akzeptieren, fällt vielen schwer. Psychologen erklären, warum.

Seit die zerstörten Reaktorblöcke des Kernkraftwerks Fukushima über die Fernsehbildschirme flimmerten, klingeln in Deutschland die Telefone von Ökostrom-Unternehmen. „Täglich gewinnen wir zehnmal so viele neue Kunden wie Anfang März”, vermeldete Tim Loppe vom Ökostromanbieter Naturstrom Ende März, und Naturstrom-Konkurrent Entega warb für seinen Ökostrom mit „Wann, wenn nicht jetzt?”. Doch eigentlich lautet die Frage: Warum erst jetzt? Denn schon 2010 befürworteten laut Umweltbundesamt 85 Prozent der Deutschen einen konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien. Trotzdem bezogen nur 8 Prozent Ökostrom. Zu teuer und zu intransparent sei der grüne Strom, zu schwierig der Anbieterwechsel und die Informationen darüber unzureichend, klagten die Befragten.

Hat die Atomkatastrophe in Japan die Deutschen dazu gebracht, sich stärker für regenerative Energien zu engagieren? Ausländische Medien spotten über die „German Angst”, die angeblich typisch deutsche Hysterie. Doch so einfach lässt sich die gewachsene Akzeptanz für Strom aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse nicht erklären. „Belege für German Angst konnten wir nicht finden”, konstatiert Britta Renner von der Universität Konstanz. Die Leiterin der Arbeitsgruppe für Psychologische Diagnostik und Gesundheitspsychologie hatte zusammen mit ihrer Forscherkollegin Verena Klusmann wenige Wochen nach dem Reaktorunfall über 1000 Personen online gebeten, Risiken und Chancen verschiedener Technologien einzuschätzen. Auf die Frage „ Hat sich durch den japanischen Reaktorunfall die Wahrscheinlichkeit für einen Reaktorunfall in Deutschland erhöht?” antworteten 93 Prozent mit Nein. Über die Hälfte der Befragten gab an, dass sie ihre Meinung über Atomkraft nicht geändert hat – Hysterie sieht anders aus. „Die Menschen haben nicht auf einmal ein ganz anderes Bild von Atomkraft, im Sinne von: Vorher habe ich gar nicht gewusst, dass so etwas passieren kann”, folgert Renner.

Schon vor 20 Jahren bewerteten die Menschen in Deutschland Kernkraft als eines der zehn größten Risiken für den Menschen. Denn anders als Experten rechnen Laien nicht in Wahrscheinlichkeiten, wenn sie Risiken einschätzen, sondern fürchten vor allem unkontrollierbare Gefahren, die schlagartig viele Menschen und auch künftige Generationen bedrohen. Die Bilder des qualmenden japanischen Kernkraftwerks rufen diese Gefahr ins Gedächtnis. Immerhin 23 Prozent der von Renner Befragten planen, nach dem Reaktorunfall in Japan, auf regenerativ erzeugten Strom umzusteigen, fast genauso viele haben das schon vorher getan. „Menschen wechseln nicht aus akuter Angst zu erneuerbaren Energien”, erklärt Renner, „sondern sie sind besorgt, wenn etwas passiert. Daraus entsteht ein Gefühl der Verantwortung und eine durchaus rationale Entscheidung.” Ausschlaggebend ist laut Renner, dass das Thema nun im Fokus der Aufmerksamkeit steht. Denn die Idee „Ich sollte mich mal um Ökostrom kümmern” gerät im Alltag schnell in Vergessenheit.

Trotz neuer Ökostromkunden und umdenkender Politiker – auch die erneuerbaren Energien haben Gegner: Jutta Reichardt ist die deutsche Sprecherin der Europäischen Plattform gegen Windkraftanlagen. Vor 17 Jahren ist sie mit ihrem Mann von Hamburg aufs Land gezogen. Grüne Idylle, Artenvielfalt und unberührte Natur hatten die beiden Großstädter gesucht – heute blicken sie von ihrem Hof auf 121 Windräder, das nächste dreht sich in gut 300 Meter Entfernung. „An unserer Einstellung gegen die Windkraft hat Fukushima selbstverständlich nichts geändert”, stellt Reichardt fest. Windkraft sei immer noch ineffizient und schade Gesundheit und Umwelt.

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Pragmatische bauern

Zugezogene Stadtmenschen kämpfen besonders häufig und stark gegen Windkraftanlagen, fand der Sozialpsychologe Götz Walter in einer aktuellen Studie von der Universität Zürich und der Unternehmensberatung The Advisory House heraus. „Die Zugereisten haben ein sehr romantisches Naturverständnis und sehen die Windräder als Eingriff in die unberührte Natur”, erklärt Walter, der 22 Interviews mit Gegnern, Betreibern und Entwicklern von erneuerbaren Energiekraftwerken geführt hat. Die Landwirte, stellte Walter fest, verrechnen Pachteinnahmen und andere Vorteile mit Nachteilen wie dem Anblick der Windriesen. Überwiegt der Mehrwert, protestieren sie in der Regel nicht gegen den Bau der Anlagen – sofern die Projektentwickler zuvor geschickt agiert haben.

Denn der Kampf um die Akzeptanz beginnt, wenn die Bürger von der geplanten Anlage erfahren. Außer einer Gefahr für Vögel, die in die rotierenden Blätter fliegen könnten, Lärm und dem lästigen Schattenwurf befürchten viele Anwohner unhörbar tiefe Töne der Anlagen, den sogenannten Infraschall. Er könnte, so die Angst der Menschen, die Gesundheit gefährden. Wichtig ist laut Walter, solche Sorgen zu erkennen und nicht als NIMBY-Phänomen abzutun („ Not In My BackYard”, Sankt-Florians-Prinzip), das den Bürgern unterstellt, Windräder nur vor der eigenen Haustür abzulehnen. In der Wissenschaft ist dieser Begriff umstritten, da er die Bedenken der Anwohner nicht ernst nimmt. Denn in der Vergangenheit ist tatsächlich einiges schief gelaufen: Dank großzügiger Gesetze und üppiger Fördergelder planten, bauten und verkauften Unternehmer zügig zahlreiche Anlagen – oft ohne Rücksicht auf die Bürger. Gegen solche „Goldgräber” richtet sich die Wut vieler Windkraftgegner.

Doch selbst, wenn Behörden und Projektleiter auf die Bedenken der Bürger eingehen und ihnen anbieten, sich zu beteiligen, geschieht das oft zu spät. „Man könnte ja schlafende Hunde wecken, heißt es oft”, berichtet Petra Schweizer-Ries von der Universität des Saarlandes. Die Professorin für Umweltpsychologie hat untersucht, wie sich die Akzeptanz regenerativer Energien verbessern lässt. „Partizipation ist sicher kein Allheilmittel”, sagt sie, „aber ohne sie wird es schwierig – etwa bei neuen Stromtrassen in Niedersachsen.” Die geplanten 380-Kilovolt-Leitungen sollen den Strom aus Windparks zu den Verbrauchern transportieren (siehe „Strippenziehen für die Energiewende” ab S. 86). Doch gegen die Stromleitungen und ihre knapp 60 Meter hohen Masten kämpfen viele Bürgerinitiativen. In einer kleinen Befragung hat die Arbeitsgruppe von Schweizer-Ries große Informationslücken festgestellt, trotz Infoabenden und Broschüren. „Die Leute wissen oft nicht genau, worum es geht”, sagt die Wissenschaftlerin. „Sie empfinden daher Unmut.” Außer einer verschandelten Landschaft fürchten viele Bürger den vermeintlichen Elektrosmog. Die Angst vor Elektrosmog und Infraschall ist menschlich, meint Britta Renner: „Gefahren, die wir nicht einschätzen können, weil wir sie nicht sehen, schmecken, hören oder riechen, erleben wir als bedrohlich.” Ob die Energiewende gelingt, hängt auch davon ab, wie Industrie und Politik mit solchen Ängsten umgehen. ■

von Hanna Drimalla

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Internet

„Erfolgsfaktoren für die Akzeptanz von Erneuerbare-Energie-Anlagen” (Studie der Universität Zürich und der Unternehmensberatung The Advisory House): www.advisoryhouse.com/UserData/ Publication_00630_00.pdf

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