Sie avancierte zum wohl berühmtesten Gemälde der Welt: Zweifellos hat Leonardo da Vinci raffinierte optische Techniken benutzt, um seiner Mona Lisa einen besonderen Ausdruck zu verleihen. Welche genau dies sind, ist teilwiese noch immer geheimnisumwittert. Als ein Hauptgrund für die faszinierende Ausstrahlung gilt allerdings die Indifferenz des emotionalen Ausdrucks der dargestellten Dame: Sie wirkt angeblich sowohl fröhlich als auch traurig. Doch ist das wirklich so? Dem angeblich so mehrdeutige Gesichtsausdruck sind nun Forscher des Universitätsklinikums Freiburg experimentell nachgegangen.
Sie lächelt!
Sie erstellten für ihre Studie zunächst acht Mona Lisa-Varianten, die sich nur in einer graduellen Veränderung der Mund-Krümmung unterschieden. Die vier Bilder mit dem traurigerem sowie die vier Bilder mit dem fröhlicheren Gesichtsausdruck präsentierten sie dann in zufälliger Reihenfolge einer Gruppe von Probanden. Außerdem war natürlich auch das Original unter den präsentierten Bildern. Per Tastendruck sollten die Testpersonen bei jedem Bild angeben, ob sie es als fröhlich oder traurig wahrnahmen, und wie sicher sie sich bei der jeweiligen Antwort waren. In der Summe der Antworten ergab sich so ein prozentualer Wert auf einer Skala von traurig bis fröhlich und ein Wert für die Klarheit des empfundenen Eindrucks.
Es zeigte sich: In nahezu 100 Prozent der Fälle wurden das Original sowie alle positiveren Varianten als fröhlich wahrgenommen. “Es war für uns eine große Überraschung, dass die Original-Mona Lisa fast immer als fröhlich wahrgenommen wurde. Das widerspricht der gängigen Meinung der Kunstgeschichte”, sagt Jürgen Kornmeier vom Universitätsklinikums Freiburg. Bei den Auswertungen zeichnete sich außerdem ab: Die Probanden erkannten die fröhlichen Gesichtsausdrücke schneller als die traurigen. “Es scheint, als hätten wir einen Filter für positive Gesichtsausdrücke in unserem Gehirn”, so Kornmeier.
Unsere Wahrnehmung ist relativ
In einem zweiten Experiment behielten die Forscher die Variante mit der geringsten Mund-Krümmung als traurigste Variante bei. Sie präsentierten dann das Mona Lisa-Original als fröhlichste Variante sowie sieben Zwischenvarianten, wobei drei davon schon im ersten Experiment gezeigt worden waren. Nun stellten die Forscher fest, dass die Probanden diejenigen Bildvarianten, die schon im ersten Experiment gezeigt worden waren, tendenziell als trauriger wahrnahmen. “Diese Ergebnisse belegen, dass unsere Wahrnehmung, etwa ob ein Gesicht traurig oder fröhlich ist, nicht absolut ist, sondern sich erstaunlich schnell an die Umwelt anpasst”, sagt Kornmeier.
Genau solchen Wahrnehmungsprozessen sind die Forscher nun auch weiterhin auf der Spur: “Mit unseren Sinnen können wir nur einen sehr eingeschränkten Teil der Information aus unserer Umwelt aufnehmen, beispielsweise weil ein Objekt teilweise verdeckt oder schlecht beleuchtet ist”, sagt Kornmeier. “Das Gehirn muss dann aus den unvollständigen und oft mehrdeutigen Informationen ein Bild der Welt konstruieren, das der Realität am nächsten kommt”. Wie diese Konstruktionsprozesse bei Gesunden ablaufen und ob sie bei Menschen mit psychischen Erkrankungen, etwa mit Wahnvorstellungen, verändert sind, untersuchen die Freiburger Forscher.