Der öffentliche Personennahverkehr ist weltweit sehr unterschiedlich organisiert. Während wir hierzulande Busse und Bahnen mit festen Routen und Fahrplänen gewöhnt sind, nutzen Menschen in anderen Ländern viel häufiger privat organisierte Sammeltaxis und „On-Demand“-Transporte. Solche informellen Verkehrssysteme bieten durchaus Vorteile und sind oft sogar effizienter als ein zentral organisierter Nahverkehr, wie Forschende herausgefunden haben. Was lässt sich daraus für die Verkehrsplanung lernen?
Der öffentliche Personennahverkehr ist im weltweiten Vergleich sehr unterschiedlich aufgebaut. Industrienationen besitzen meist zentral organisierte öffentliche Verkehrsmittel mit festen Routen und Haltestellen. U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse fahren dort zudem nach festen Fahrplänen. In Ländern des Globalen Südens hingegen bewegen sich die Menschen vor allem über informelle Fahrdienste mit kurzfristig festgelegten Routen, Stopps und Zeiten fort. Dort gibt es beispielsweise privat organisierte Kleinbusse und Sammeltaxis, die „On-Demand“, also nach Bedarf, fahren. Von außen betrachtet wirkt der Betrieb solcher informellen Verkehrsdienste oft chaotisch und wenig zielführend. Doch ist dieser Eindruck gerechtfertigt?
Nahverkehrs-Systeme im Vergleich
Ein Team um Kush Mohan Mittal von der Technischen Universität Dresden hat nun erstmals untersucht, wie effizient die verschiedenen globalen Nahverkehrssysteme tatsächlich sind. Dafür verglichen sie mehr als 7000 formelle und informelle Buslinien über 36 Städte und 22 Länder hinweg. Als Basis dafür dienten frei verfügbare GPS-Routendaten von Buslinien aus dem Dienst OpenStreetMap. Anhand dessen werteten die Wissenschaftler auch aus, wie gut die Linien an die lokalen Bevölkerungsdichten angepasst sind und wie viele Umwege im Routenverlauf eingebaut werden.
Dabei stellten Mittal und seine Kollegen überraschenderweise fest, dass die Routen informeller Transportsysteme mindestens genauso effizient oder sogar effizienter sind als zentralisierte Dienste. Die Selbstorganisation des Nahverkehrs führt demnach vielerorts sogar zu einem besseren Transportsystem als die zentrale Organisation. Insbesondere in den Ländern des Globalen Südens decken informelle Transportsysteme demnach oft Gebiete ab, in denen kein öffentlich organisierter Transport verfügbar ist – entweder weil es keine Buslinien gibt oder weil diese für die Anwohner zu teuer sind. Organisiert werden solche informellen Angebote teils durch zivile Interessenverbände, oft aber auch durch Privatpersonen, die damit Geld verdienen wollen.
Der Nahverkehr On-Demand ist zudem weniger chaotisch als angenommen, wie die Analyse ergab. Auch bei ihm bilden sich mehr oder weniger feste Linien oder Fahrtkorridore mit einigen Haupthaltestellen heraus, wie das Team feststellte. Die Routen verlaufen dabei in Kerngebieten eher geradlinig, an den Enden der Linien werden hingegen mehr Umwege gefahren, um größere Flächen erschließen zu können. Dieses Muster fanden die Forschenden zwar auch bei zentral organisierten Verkehrssystemen und über alle untersuchten Städte hinweg: „Informelle Verkehre weisen insgesamt aber weniger Umwege und einheitlichere Routen auf als zentral geplante Buslinien. Sie sind also effizienter – und dabei auch ohne die im Globalen Norden üblichen umfangreichen Subventionen rentabel“, sagt Mittal.
Beide Systeme könnten verbessert werden
Informelle Verkehrsdienste sind demnach keineswegs „minderwertig“ im Vergleich zum zentralen öffentlichen Nahverkehr, wie wir ihn kennen, sondern bieten durchaus Vorteile. Neben der Routenführung spielen für einen guten öffentlichen Nahverkehr aber auch Aspekte wie Sicherheit der Fahrzeuge, Ausbildung und Lohnniveau der Fahrer sowie Planbarkeit und Verlässlichkeit der Angebote einen wichtige Rolle. Zu diesen Faktoren stehen allerdings bislang nicht ausreichend Daten zur Verfügung, um die Verkehrssysteme miteinander vergleichen zu können.
Nach Ansicht der Forschenden zeigt die Studie dennoch, dass heute bestehende informelle Systeme nicht einfach durch zentral geplante Routen ersetzt werden sollten. Stattdessen sollten beide Systeme bei der künftigen Verkehrsplanung einbezogen und jeweils nachhaltiger gestaltet werden. Die selbst organisierten Dienste könnten dann regelmäßiger und verlässlicher werden, die zentral organisierten Angebote könnten indes von der effizienten Routenbildung informeller Systeme lernen, schreibt das Team.
Quelle: Kush Mohan Mittal (Technische Universität Dresden) et al.; Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-024-49193-1