Der Mensch lernt viel durch abschauen: Er orientiert sich an dem, was andere tun und sagen, um daran sein eigenes Verhalten auszurichten. In besonderem Maße kommt diese Form des sozialen Lernens bei Kindern zum Tragen. So lernt ein Baby zum Beispiel, indem es seine Mutter beobachtet. Forscher haben nun herausgefunden, dass sich bei diesem Vorgang die Gehirne von Mutter und Kind synchronisieren – je besser der neuronale Gleichtakt, desto besser ist der Lernerfolg.
Babys sind kleine Lernmaschinen. Ihre ganze Natur ist darauf ausgerichtet, neue Eindrücke einzuordnen und so allmählich die Welt und ihre Regeln verstehen zu lernen. Als soziale Wesen orientieren sie sich dabei auch an den Menschen in ihrem Umfeld – die wichtigste Bezugsperson ist dabei häufig die Mutter. Sie hat eine besondere Bindung zu ihrem Kind und spielt für seine ersten Lernerfolge eine besondere Rolle. Wie wichtig die Beziehung zwischen Mutter und Baby für das soziale Lernen ist, haben Neurowissenschaftler um Victoria Leong von der University of Cambridge nun genauer untersucht. Sie wollten wissen: Welchen Einfluss hat die emotionale Reaktion der Mutter auf ein Spielzeug auf das Spielverhalten ihres Kindes?
Synchronisierte Gehirnaktivität
Im Experiment beobachteten die Kleinen ihre Mutter, die entweder positiv oder negativ auf bestimmte Gegenstände reagierte. Anschließend wurden den Babys die zuvor gezeigten Objekte zum Spielen angeboten. Leong und ihre Kollegen interessierte dabei vor allem, ob die Gehirnaktivität von Mutter und Kind Prognosen über das Verhalten des Babys erlaubte. Denn bekannt ist: Wenn sich Menschen zum Beispiel miteinander unterhalten, synchronisieren sich ihre Hirnwellen. Je besser der verbale Austausch funktioniert, desto größer ist dieser Effekt. Ein ähnliches Phänomen ist auch in Schulklassen zu beobachten. Engagiertes Lernen in Gruppenarbeit scheint das Gehirn der Schüler dabei in einen neuronalen Gleichtakt zu versetzen.
Doch spielt diese neuronale Verbindung für den Lernerfolg der Babys ebenfalls eine Rolle? Offenbar ja, wie die Analysen mittels Elektroenzephalogramm (EEG) zeigten. “Je stärker die neuronale Synchronität, desto größer war die Wahrscheinlichkeit für soziales Lernen bei den Kindern”, berichtet Leong. Das bedeutet: Babys, deren Gehirn sich mit dem der Mutter synchronisierte, richteten sich bei ihrer Spielentscheidung eher nach den elterlichen Vorgaben. Sie zogen ein Spielzeug vor, auf dass die Mutter positiv reagiert hatte und mieden solche, die mit negativen Reaktionen verknüpft waren. Wie synchron die Hirnaktivität war, schien dabei von der Qualität der Kommunikation zwischen Mutter und Nachwuchs abzuhängen. So fand das Forscherteam heraus, dass soziale Signale wie häufiger Augenkontakt mit einer erhöhten Synchronität und einem besseren Lernerfolg einhergingen.
Langfristiger Einfluss?
“Es gibt demnach nichts Wichtigeres, als körperlich und emotional anwesend zu sein und eine echte Verbindung zu seinem Kind herzustellen”, schreiben die Wissenschaftler. Dies sei die Schlüsselbotschaft, die sich aus ihrer Untersuchung ergebe. In Zukunft wollen sie dieses Phänomen weiter erforschen: “Mich interessiert was passiert, wenn Eltern und Kinder es nicht schaffen, sich untereinander zu synchronisieren. Dies könnte zum Beispiel bei bestimmten psychischen Erkrankungen oder Entwicklungsstörungen der Fall sein und einen langfristigen Einfluss auf das Lernen und die Kindesentwicklung haben”, schließt Leong.
Quelle: Victoria Leong (University of Cambridge) et al., Cognitive Society 26th Annual Meeting, Symposium