Die Vorfahren des Menschen haben den aufrechten Gang vor allem deswegen entwickelt, weil sie sich damit energiesparender fortbewegen konnten als auf vier Beinen. Das schließen amerikanische Wissenschaftler aus einer Studie, in der sie den Energieverbrauch von Schimpansen und Menschen beim Gehen verglichen. Demnach benötigt ein Mensch für die Fortbewegung nur ein Viertel der Energie, die ein Schimpanse aufwenden muss. Dieser Unterschied lässt sich hauptsächlich auf die längeren Beine und den günstigeren Schwerpunkt der menschlichen Anatomie zurückzuführen.
Die Wissenschaftler ließen fünf Schimpansen auf allen Vieren und auf den Hinterbeinen auf einem Laufband laufen. Dabei bestimmten sie die Muskelaktivität, den Sauerstoffverbrauch, die auf den Boden wirkende Kraft und die Zeit, die die Füße der Tiere den Boden berührten, und verglichen die Werte mit denen von vier menschlichen Probanden. Im Schnitt verbrauchten die Menschen 75 Prozent weniger Energie als die Schimpansen ? egal, ob diese auf zwei oder auf vier Beinen gingen, zeigte die Auswertung. Allerdings gab es große individuelle Unterschiede zwischen den Tieren: Zwei von ihnen benötigten mehr Energie für das Gehen auf zwei Beinen als auf vieren, bei zwei waren die Werte in etwa gleich und einer verbrauchte zweibeinig weniger.
Nach den Ergebnissen bestimmen zwei Hauptfaktoren den Energieverbrauch: die Schrittlänge und die aktive Muskelmasse. Je kürzer die Schritte und je mehr Muskelmasse für das Gehen benötigt wurde, desto energieaufwändiger war es. Dem Menschen kommen dabei vor allem seine langen Beine und sein günstiger Schwerpunkt zugute: Er liegt genau über Hüfte und Knie, so dass hauptsächlich die kurzen Muskeln an den Knöcheln für das Gehen benötigt werden. Der Schimpanse mit seinem vor der Hüfte liegenden Schwerpunkt muss hingegen die großen Oberschenkelmuskeln aktivieren und verbraucht so mehr Energie.
Im Hinblick auf die Evolution des aufrechten Ganges seien besonders die individuellen Unterschiede zwischen den Schimpansen interessant, so die Forscher: Sie zeigten, dass schon kleine Veränderungen einen großen Effekt haben können, denn der Schimpanse mit dem günstigen Energieverbrauch auf zwei Beinen machte lediglich längere Schritte als seine Artgenossen. Möglicherweise gab es solche Abweichungen auch bei den letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Menschenaffen, spekulieren die Forscher. Wer damals etwa bei der Nahrungssuche weniger Energie verbrauchte, hatte Vorteile den anderen gegenüber, so dass sich diese Eigenart mit der Zeit durchgesetzt haben könnte. Sie wollen nun anhand von Fossilien früher Menschen prüfen, ob deren Körperbau bereits entsprechende Veränderungen aufwies.
Michael Sockol ( Universität von Kalifornien, Davis) et al.: PNAS, DOI: 10.1073/pnas.0703267104 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel