Mit genau dieser Frage hat sich der Althistoriker Patrick Reinard im Rahmen einer umfangreichen Recherche befasst. Er kommt zu dem Fazit: Die Römer haben die Insel zwar durchaus erkundet, sahen aber nach einer Kosten-Nutzen-Abwägung von einer Invasion ab. “Die Römer waren definitiv auf der Insel”, so Reinard. “Die Quellen zeigen, dass sich Rom an der irischen Seegrenze genauso wie an jeder anderen Grenze verhalten hat: Land und Leute wurden genau untersucht, mögliche ökonomische, militärische und politische Potenziale ebenso beobachtet und bewertet wie die geographische und nautische Situation.” Es müsse zudem intensive politische und wirtschaftliche Kontakte zwischen der britannischen Provinz und Irland gegeben haben, sagt der Historiker.
Archäologische Funde untermauern dies: In Drumanagh, nördlich von Dublin, wurden Artefakte römischen Ursprungs gefunden, was darauf hindeutet, dass sich hier eine Anlaufstelle für den Handelsverkehr mit dem römischen Reich befand. Dem Forscher zufolge gibt es bei den Autoren Juvenal und Tacitus (1. und 2. Jahrhundert n. Chr.) sogar Bezüge zu römischen Militäraktionen in Irland und sogar zu einer detaillierten Planung einer Einnahme der Insel. “Juvenal war als Soldat höchstwahrscheinlich in der Provinz Britannia stationiert”, so Reinard.
Das lohnte sich nicht!
Doch warum kam es dennoch nicht zu einer Invasion und einer dauerhaften Kolonialisierung Irlands? Dem Historiker zufolge war die Triebfeder hinter römischen Eroberungen nicht nackte Machtgier, sondern zwei Fragen standen meist im Vordergrund: Gab es in einem Gebiet etwas Kostbares zu holen oder ging von den dortigen Völkern eine Bedrohung für das römische Reich aus? Beides traf auf Irland nicht zu. Im Gegensatz zu Britannien, das Bodenschätze zu bieten hatte, war die ökonomische Bedeutung Irlands zu gering. Der Inselstatus machte seine Bewohner außerdem zu keiner militärischen Bedrohung. So sahen die Römer von der aufwändigen Eroberung Hibernias ab, resümiert der Historiker.
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