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Warum Europäer weniger Neandertaler-DNA haben als Asiaten

Geschichte|Archäologie

Warum Europäer weniger Neandertaler-DNA haben als Asiaten
Neandertaler
Schädel eines Neandertalers.© Halamka/ iStock

Obwohl Neandertaler vor allem in Europa vorkamen, ist im Erbgut heutiger Ostasiaten mehr von ihrer DNA erhalten geblieben als bei Europäern. Eine Studie liefert nun anhand von Analysen alter DNA eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen. Demnach könnten Wanderungsbewegungen unserer Vorfahren eine entscheidende Rolle gespielt haben. Während frühe europäische Jäger und Sammler einen vergleichsweise hohen Anteil an Neandertaler-DNA aufwiesen, wurde dieser verwässert, als die ersten jungsteinzeitlichen Bauern aus Anatolien nach Mitteleuropa kamen.

Vor rund 40.000 Jahren verbreitete sich der Homo sapiens von Afrika aus über den eurasischen Kontinent. Über einige Jahrtausende hinweg lebten unsere Vorfahren dort gemeinsam mit den Neandertalern und pflanzten sich zum Teil auch mit ihnen fort. Bis heute finden sich Spuren von Neandertaler-DNA in unserem Erbgut. Bei Menschen in Europa und Asien macht die Neandertaler-DNA etwa zwei Prozent des Erbguts aus, wobei dieser Anteil je nach Region variiert. Bei heutigen Menschen aus Ostasien liegt er geringfügig höher als bei Europäern. Das stellte die Wissenschaft lange vor Rätsel. Schließlich waren die Neandertaler vor allem im westlichen Teil Eurasiens verbreitet. Boten ihre Gene in Ostasien womöglich mehr Selektionsvorteile und blieben deshalb dort zu einem größeren Teil erhalten?

Wanderungsbewegungen als Erklärung

Ein Team um Claudio Quilodrán von der Universität Genf in der Schweiz hat nun eine andere plausible Erklärung gefunden. Demnach lassen sich die Unterschiede durch die Migrationsbewegungen unserer Vorfahren erklären. Für ihre Studie analysierten die Forschenden den Neandertaler-Anteil in menschlicher DNA aus fossilen und modernen Proben der vergangenen 40.000 Jahre. 2.625 veröffentlichte menschliche Genome aus ganz Eurasien flossen in die Analyse ein. Mit statistischen Methoden untersuchten Quilodrán und sein Team, wie der Gehalt an Neandertaler-DNA darin abhängig von Zeit und Ort variierte. Dies setzten sie in Bezug zu bekannten Migrationsbewegungen unserer Vorfahren im Verlauf der letzten zehntausenden Jahre.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass frühe Wanderungsbewegungen tatsächlich einen evolutionären Einfluss auf die ortsabhängige Verteilung von Neandertaler-DNA hatten“, berichtet das Team. Nach der ersten Ausbreitung des Homo sapiens über Eurasien entsprach die Verteilung des Neandertaler-Erbguts den Erwartungen der Forschenden. Je weiter nördlich, also je weiter entfernt vom Ursprungsgebiet des Homo sapiens in Afrika, desto höher war damals der Anteil an Neandertaler-DNA in der Population unserer Vorfahren. Zudem lag der Anteil an Neandertaler-Erbgut den Analysen zufolge in Westeurasien zunächst höher als in Osteurasien.

“Verdünnung” durch jungsteinzeitliche Bauern

Doch warum änderte sich diese Verteilung? Verantwortlich dafür waren laut Quilodrán und seinem Team nicht etwa Selektionsvorteile, sondern erneute Wanderungsbewegungen. Vor rund 10.000 Jahren kamen die ersten jungsteinzeitlichen Bauern aus dem fruchtbaren Halbmond nach Mitteleuropa. Ihr Genom enthielt deutlich weniger Neandertaler-DNA als das der bis dahin in der Region lebenden Jäger und Sammler. Dadurch verwässerte sich der Anteil des Neandertaler-Erbguts nach und nach, bis er geringer war als in Ostasien. „Diese zweite Ausdehnung des Verbreitungsgebiets ist von entscheidender Bedeutung für die Erklärung des derzeit beobachteten Musters, dass Menschen in Westeuropa einen geringeren Anteil Neandertaler-DNA haben als Menschen in Ostasien“, schreiben die Forschenden.

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Damit liefern diese Ergebnisse nicht nur eine Erklärung für die heutige Verteilung der Neandertaler-DNA in verschiedenen Populationen des Menschen – sie unterstreichen auch, wie sehr die Wanderungsbewegungen unserer Vorfahren die Zusammensetzung unseres Erbguts bis heute prägen. „Diese Studie zeigt, dass die Analyse alter Genome in Verbindung mit archäologischen Daten es ermöglicht, verschiedene Phasen in der Geschichte der hybridisierten Arten zu verfolgen”, erklären Quilodrán und seine Kollegen. Zudem sei es nun möglich, den prozentualen Anteil von Neandertaler-DNA im Genom des Homo sapiens zu verschiedenen Zeiten unserer Vorgeschichte zu beschreiben. Dies könne auch als Grundlage für zukünftige Studien dienen.

Quelle: Claudio Quilodrán (Universität Genf, Schweiz) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adg9817

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