Funde in Peru widersprechen der Annahme, dass die Jagd schon immer eine „natürliche“ Domäne der Männer war: Vor 9000 Jahren wurde dort eine Frau mit Werkzeugen zur Großwildjagd bestattet. Weitere Studienergebnisse legen zudem nahe, dass die Jägerin wohl kein Einzelfall gewesen ist: Die Forscher berichten über archäologische Hinweise aus Süd- und Nordamerika, die vermuten lassen, dass mehr als ein Drittel der Großwildjäger des späten Pleistozäns und frühen Holozäns weiblich gewesen sein könnte.
In Jäger- und Sammlerkulturen gab es seit jeher typische Aufgabenbereiche für die Geschlechter, könnte man meinen: Die Frauen versorgten die Gruppen mit Beeren, Wurzeln und Co, die Männer schafften hingegen die Jagdbeute herbei. Dieser Schluss liegt nahe, denn diese Aufteilung ist von jüngeren Jäger- und Sammlerkulturen bekannt und auch in der heutigen westlichen Kultur ist die Jagd eine typische Männersache. Ob das schon immer so war oder sich erst durch kulturelle Entwicklungen herausgebildet hat, ist allerdings fraglich: Unter Wissenschaftlern ist generell umstritten, inwieweit es in den frühen menschlichen Gemeinschaften schon eine so klare geschlechtsspezifische Arbeitsteilung gegeben hat.
Demnach könnten die Tätigkeiten von den Mitgliedern der Gruppen auch eher von den individuellen Fähigkeiten bestimmt gewesen sein, die bei Männern und Frauen bekanntlich eine erhebliche Variationsbreite aufweisen. Um für eine große Ausbeute zu sorgen, könnten entsprechend alle fähigen Gruppenmitglieder in die gemeinschaftlichen Jagdaktivitäten eingebunden gewesen sein. Wie die Forscher um Randall Haas von der University of California in Davis berichten, gab es bereits archäologische Hinweise darauf, dass auch die Frauen der frühen Bewohner des amerikanischen Doppelkontinents Jägerinnen gewesen sein könnten. Ihre aktuellen Untersuchungsergebnisse runden diese Hinweise nun zu einem deutlichen Gesamtbild ab.
Jagdwerkzeuge in einem Frauengrab
In den Fokus rücken die Forscher dabei eine Entdeckung vom Fundort Wilamaya Patjxa im Hochland von Peru. Es handelt sich um ein Grab, das auf ein Alter von 9000 Jahren datiert wurde. Neben einem Skelett befanden sich darin Beigaben, die das Forscherteam eindeutig als Jagdwerkzeuge interpretierte. Neben scharfen Steinobjekten, die wohl dem Zerlegen von Tierkörpern gedient haben, waren dies Geschossspitzen. Sie saßen den Forschern zufolge einst auf Speeren, die geschleudert wurden und in der damaligen Zeit typischerweise der Jagd auf Großwild dienten.
Wie die Forscher erklären, geht man in der Archäologie in der Regel davon aus, dass es sich bei Grabbeigaben um Gegenstände handelt, die das verstorbene Individuum zu Lebzeiten benutzt hat. Im Fall des Grabes von Wilamaya Patjxa ließen die Merkmale der Knochen bereits vermuten, dass es sich um eine 17 bis 19-jährige Frau gehandelt hat. Diesen Verdacht konnte dann eine Geschlechtsbestimmung anhand von Proteinmaterial aus den Zähnen bestätigen. Zudem ergab eine Isotopenanalyse an den Überresten, dass die Ernährung der Frau stark auf Fleisch basierte. Den Forscher zufolge ist auf der Grundlage der Funde davon auszugehen, dass die Frau vor rund 9000 Jahren selbst auf die Jagd gegangen ist.
Ein breiteres Muster zeichnet sich ab
Doch war dies vielleicht nur ein besonderer Fall oder kam es damals häufiger vor, dass auch Frauen jagten? Um dieser Frage nachzugehen, haben die Wissenschaftler auch frühere Funde aufs Neue untersucht. Sie erfassten dazu die Informationen zu 429 Grabfunden von 107 archäologischen Stätten in ganz Nord- und Südamerika aus dem späten Pleistozän und dem frühen Holozän. Wie sie berichten, gab es in einigen Fällen Hinweise auf Jagdwerkzeuge als Grabbeigaben. Bei einigen davon lagen auch geschlechtliche Zuordnungen vor. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis: Von den mit Großwildjagd-Werkzeugen in Verbindung gebrachten Individuen waren 15 männlich und 11 weiblich.
Bisher wurden die letzteren Fälle aber kaum als deutliche Hinweise auf Jägerinnen gewertet, erklären die Forscher. “Unsere Ergebnisse haben mich veranlasst, meine Annahmen über grundlegende Organisationsstrukturen bei den alten Jäger-Sammler-Gemeinschaften und den menschlichen Gruppen im Allgemeinen neu zu überdenken”, sagt Haas. “Unter den historischen und zeitgenössischen Jägern und Sammlern ist es fast immer so, dass die Männer die Jäger und die Frauen die Sammler sind. Aus diesem Grund – und wahrscheinlich auch wegen stereotyper Annahmen – passten archäologische Funde von Frauen mit Jagdwerkzeugen einfach nicht in das vorherrschende Weltbild. Wir liefern nun aber starke Argumente dafür, dass das archäologische Muster auf das tatsächliche Jagdverhalten von Frauen hindeutet”, resümiert Haas.
Quelle: University of California, Fachartikel: Science Advances, doi:10.1126/sciadv.abd0310N