Die Vorfahren des Menschen marschierten vor 3,6 Millionen Jahren bereits aufrecht. Das haben US-Wissenschaftler in einem biomechanischen Experiment belegt, bei dem versteinerte Fußspuren und das fossile Skelett des Australopithecus afarensis zum Vergleich herangezogen wurden. Um die Charakteristika des aufrechten Gangs zu ermitteln, sind Versuchspersonen nach Menschenart und im schleppenden Gang von Schimpansen über einen sandigen Weg geschickt worden. Bei der geduckten Haltung war die Zehenpartie tiefer eingesunken als die Ferse. Dieses Abdruckprofil hat sich als nicht identisch erwiesen mit dem der Trittspuren, die sich in der Vulkanasche von Laetoli in Tansania vor Millionenjahren verewigt haben.
Vor rund 3,6 Millionen Jahren liefen drei Vormenschen der längst ausgestorbenen Gattung Australopithecus afarensis aufrecht über die feuchte Asche des Vulkans Sadiman. Die 70 Fußabdrücke trockneten aus und die Fundstelle in Laetoli belegt, dass sich die Menschenvorläufer mit einer Geschwindigkeit von zwei bis vier Stundenkilometern fortbewegte. Zur gleichen Gattung zählt das berühmte Skelett Lucy, das 1974 in Äthiopien gefunden worden war. Die gebogenen Finger und Zehen sowie die aufwärtsgerichtete Schulter lassen aber den Schluss zu, dass Lucy und ihre Artverwandten immer noch viel Zeit in den Bäumen zubrachten, schreiben die Wissenschaftler. Auch bei den Fußspuren von Laetoli werde noch diskutiert, ob sie von einem Gang mit gebeugten Knien stammen.
Durch eine biomechanische Analyse bringen nun die US-Forscher Klarheit in die Diskussion. In einem Labor für Bewegungserfassung wurde ein sandiger Laufsteg präpariert, über den Menschen in aufrechter und in hockender Haltung liefen. Die Abdrücke der Versuchspersonen wurden aufgenommen und aus den Bildern dreidimensionale Modelle erstellt. Dabei wurde Technik aus dem Primaten-Evolutions-Labor der University of Albany eingesetzt. Geht ein Mensch aufrecht, so ist die Abdrucktiefe von Zehen und Ferse annähernd gleich, schlurft er aber in Schimpansen-Manier, so zeichnet sich der Zehenabdruck wegen der Gewichtsverteilung über Fußsohle tiefer im Boden ab.
“Nach der Analyse der Skelette von Australopithecus afarensis erwarteten wir, dass die Fußabdrücke aus Laetoli denen des in Hocke gehenden Menschen ähneln würden”, berichtet Raichlen. Doch zur Überraschung der Wissenschaftler waren bei den versteinerten Abdrücken Zehen- und Fersenabdrücke gleichmäßig ausgebildet wie beim modernen Menschen. “Trotz eines Körperbaus, der noch angepasst ist an ein phasenweises Leben auf Bäumen, entwickelte sich bereits die uns heute bekannte Gangart. Diese Fortbewegung ist sehr energieeffizient, und das war bei der Ausbildung des zweibeinigen Gangs sehr wichtig.”
David Raichlen (University of Arizona, Tucson) et al: Online in PLoS One ddp/wissenschaft.de ? Rochus Rademacher