Neandertaler konnten ebenso effiziente Steinwerkzeuge herstellen wie der Homo sapiens. Sie waren daher wohl auch nicht weniger intelligent, vermuten Wissenschaftler aus Großbritannien und den USA. Ausgestorben sind sie also nicht wegen eines Mangels an Intelligenz, sondern möglicherweise weil sie im Gegensatz zu ihren modernen Konkurrenten kein so wirkungsvolles soziales Netz knüpfen konnten.
In ihrer Studie verglichen die Wissenschaftler die Vor- und Nachteile der Werkzeuge von Neandertalern und dem Homo sapiens: Während die breiteren, aus
Feuerstein hergestellten Schneidewerkzeuge von beiden Spezies verwendet wurden, führte der Homo sapiens bei seiner Besiedelung Europas auch schmalere Steinklingen ein. Diese feineren Werkzeuge hatten jedoch keinen wesentlichen praktischen Vorteil. Das schlossen die Wissenschaftler aus ihren Untersuchungen, in denen sie klärten, wie viele Werkzeuge jeweils hergestellt wurden, wie viel Schneidekante produziert wurde, wie effizient der Verbrauch an Rohmaterial war und wie lange das Werkzeug hielt.
Neben der Erkenntnis, dass die Neandertaler im Vergleich zum Homo sapiens genauso gute Jäger waren und keine eindeutigen Nachteile in ihren Kommunikationsfähigkeit hatten, sei dies ein weiteres Argument gegen die Annahme, dass der Neandertaler dem Homo sapiens intellektuell unterlegen war. Der Wechsel von dem aus Feuerstein hergestellten Werkzeug zur Steinklinge sei weniger ein technischer als ein kultureller Fortschritt, erklärt Studienleiter Metin Eren. Die gemeinsame Nutzung dieses neuen Werkzeugs könnte nämlich zu einer stärkeren sozialen Bindung geführt haben, die für die Gründung größerer sozialer Netzwerke wichtig ist. Im Rahmen dieser Netzwerke war Austausch und Handel unter den Mitgliedern gesichert. Diese Art der Lebensversicherung könnte den Überlebensvorteil des Homo sapiens im Vergleich zum Neandertaler ausgemacht haben.
Metin Eren (Universität in Exeter) et al.: Journal of Human Evolution, Online-Vorabveröffentlichung vom 26. August ddp/wissenschaft.de ? Sonja Römer