Ein geschichtsträchtiger Hügel in Syrien wirft alles über den Haufen: Die Ursache für den Bau früher Städte muss überdacht und die Landkarte der Zivilisation frisch gezeichnet werden. Das prominente Jericho hat auf ihr keinen Platz mehr. Seit seiner Entdeckung 1867 galt dieser Ort im Westjordanland mehr als ein Jahrhundert lang als älteste Stadt der Welt. Aber das stimmt nicht mehr.
Wo der Jordan fließt, ließ sich der Mensch schon immer gerne nieder. Das war auch um 9000 v.Chr. so, als eine Gruppe von Menschen der Jungsteinzeit (Neolithikum) hier die Sesshaftigkeit probte. Die Wahl des Ortes lag nahe. Zwischen dem späteren Jericho und Damaskus verläuft der Levantinische Korridor – jener Landstrich, aus dem die ältesten Hinweise auf kultivierte Pflanzen bekannt sind. Dem Anbau von Getreide folgte die sesshafte Lebensweise auf dem Fuß, und bald das erste Dorf.
Jericho war ein Phänomen seiner Zeit. Zwischen 8500 und 6000 v.Chr. lebten bis zu 2000 Einwohner in der Siedlung. Gemessen an den schätzungsweise sechs Millionen Menschen, die weltweit zu Beginn des Neolithikums lebten, war Jericho das Berlin der Jungsteinzeit. Zwischen den schützenden Mauern aus Lehmziegeln handelten die Menschen mit Obsidian und betrieben bizarre Totenkulte. Aber eine Stadt war Jericho trotzdem nicht.
Den Grund dafür benennt der Archäologe Jan-Waalke Meyer von der Goethe-Universität Frankfurt: „Jericho ist eine dörfliche Entwicklung, die allein in der Landschaft stand. Sie hatte keinerlei gegenseitige Abhängigkeiten mit ihrer Umgebung wie die proto-urbanen Zentren.” Trotz Jerichos spektakulärem Auftritt in der Bibel: Wer die echten ersten Städte sucht, der muss über den Jordan gehen.
URUK – Lange Titelverteidiger
Heute liegt das Mekka der historischen Städteforschung im Zweistromland. Uruk, die Metropole der Sumerer, war nach Jericho der zweite Anwärter auf den Titel „älteste Stadt der Welt” und verteidigte ihn lange. Diese Siedlung entwickelte sich zwischen 4200 und 3100 v.Chr. Hier lebten bis zu 50 000 Einwohner. Uruk hatte alles, was eine Stadt braucht, um als solche zu gelten: massive Tempel, Stadtmauern, Schrift für die Verwaltung, ein Kanalnetz und ein Pilgerziel – die altorientalische Göttin Ischtar soll in der Stadt beheimatet gewesen sein.
Die Prüfung auf Urbanität besteht Uruk mit Brief und Siegel: Um die Stadt waren Satellitenstädte wie Perlen an einer Schnur aufgereiht. Spätestens ab 3700 v.Chr. herrschte zwischen diesen Außenbezirken und dem Zentrum ein intensives Geben und Nehmen. Uruk war eine Stadt wie aus dem Lehrbuch. Aber ihre Erbauer hatten möglicherweise „abgeschrieben”.
Die Vorlage könnte aus dem nordöstlichen Syrien stammen. Dort erhebt sich der Tell Brak, ein 40 Meter hoher Hügel aus Zivilisationsmüll, gewachsen in 8000 Jahren. Seit die Krimi-Autorin Agatha Christie und ihr Ehemann Max Mallowan hier 1937 einen Tempel fanden, hat Brak seine Geheimnisse nur schrittweise preisgegeben. Während der Grabungskampagne von 1976 glaubten Archäologen noch, Brak sei nur eine Siedlung, keine Stadt, und mit einem Alter von 5000 Jahren der Teenager unter den uralten Gründungen zwischen Euphrat und Tigris. Vielleicht, so eine weitere Vermutung von damals, sei das viel kleinere Brak wirtschaftlich und politisch abhängig gewesen von der gut 700 Kilometer entfernten Metropole Uruk im Süden. Aber dieses Gedankengebäude bröckelte 2006, als tiefere Schichten offenbarten, was sich wirklich unter dem Hügel verbarg.
BRAK HATTE EINE KANTINE
Die Überraschung: Das älteste Gebäude Braks wurde 4500 v.Chr. errichtet. Damit durchbricht der Ort die Schallmauer der Chronologie. Denn in Uruk begann das städtische Wachstum erst 300 bis 500 Jahre später. Überdies stellte sich heraus: Brak war nachweislich eine Stadt. Viele Keramikschalen aus Massenproduktion lagen in einem großen Gebäude, in dem auch zahlreiche Tierknochen gefunden wurden: eine Kantine – so die Interpretation – und damit ein öffentlicher sozialer Bereich. Auf die Existenz einer Elite verweist ein extravagantes Prestigeobjekt: Es ist ein Trinkbecher aus Marmor und Obsidian, der einst durch seine Pracht in glänzendem Schwarz und Weiß den Reichtum des Besitzers herausstellte. Aus diesem Kelch mag ein altorientalischer König Nektar geschlürft haben, während das Arbeiterheer in der Kantine die letzten Fasern Fleisch von den Tierknochen nagte.
Brak war eine Stadt, die jeder Definition standhält: mit einer gegliederten Gesellschaft, Spezialistentum und öffentlichen Gebäuden. Aber ein Merkmal der Zivilisation fehlt: Schriftzeichen. Dabei gehört die Schrift zur Entwicklung des Menschen wie das Feuer – jedenfalls nach der gängigen Vorstellung. Aber in Syrien blühte eine städtische Gemeinschaft anscheinend ohne Texte auf.
Wo Schrift vorkommt – so wie in Uruk –, wurde sie von der Verwaltung genutzt. Buchstaben und Zahlen halfen, Nahrung für eine große Menge Menschen zu verteilen. Und in Brak? Jan-Waalke Meyer: „Das ist eine große Frage, wie man die Organisation der Arbeit anlegt. Offensichtlich hat es auch einen anderen Weg gegeben – einen, bei dem Schreiben nicht nötig war.” So sieht das auch Augusta McMahon, Archäologin in Cambridge. Sie hat die letzten Kampagnen in Brak geleitet und resümiert: „Für den Urbanisierungsprozess im südlichen Mesopotamien war die Schrift entscheidend. Nicht aber für die Entwicklung der Städte im nördlichen Zweistromland.” Das legt die Vermutung nahe, dass frühe Städte unter verschiedenen Voraussetzungen Keime trieben. Jan-Waalke Meyer erkennt ebenfalls solche Unterschiede. Er glaubt, „dass es eine indigene Entwicklung in Nordostsyrien gegeben hat”. Das hänge mit der Wirtschaftsweise zusammen, meint der Frankfurter Archäologe. „In Brak praktizierte man Regenfeldbau, in Südmesopotamien Bewässerungsfeldbau. Beides hat zur Gründung von Städten geführt, aber auf unterschiedliche Weise.”
BRILLANTER PLAN oder Zufall?
Ist Brak damit tatsächlich die älteste Stadt der Welt? Die Ausgräber nicken zögerlich. Jason Ur – der Harvard-Archäologe heißt tatsächlich so – vergibt den Titel mit gemischten Gefühlen: „Im Augenblick ist Brak der älteste urbane Ort.” Uruk könnte gleichzeitig bestanden haben. Aber noch ist Uruk nicht genügend freigelegt, um eine endgültige Datierung zu erhalten. Das wird auch noch einige Zeit so bleiben, denn im Südirak sind kontinuierliche Grabungen derzeit nicht möglich.
Das Grübeln über den Altersrekord ist mehr als nur ein Zahlenspiel. Es öffnet das Tor zum Verständnis, wieso der Mensch begann, Städte zu bauen. Trieb ein brillanter Gedanke die Zivilisation voran oder regierte der Zufall? Am Tell Brak verraten das die Scherben.
Aus der Mitte der Fundstelle erhebt sich ein Hügel. Auf ihm standen einst die großen Gebäude, hier gab es die größte Siedlungsdichte – die Altstadt der ältesten Stadt der Welt. Aber die meisten Keramikscherben liegen 200 bis 500 Meter von der Innenstadt entfernt. Sie sind nicht gleichmäßig in einem Ring um den Kern verteilt, sondern in Clustern. Dort, so glaubt Jason Ur, lagen einst suburbane Orte, kleine autonome Einheiten, die buchstäblich im Schatten des Siedlungshügels gewachsen waren. Der Archäologe vermutet, dass die Cluster entstanden sind, weil sich dort Gruppen von Einwanderern voneinander abgrenzten. Jeder kochte sein eigenes Süppchen und brannte dazu den eigenen Suppentopf.
ein historischer Melting Pot
Aber mit den Berührungsängsten war es offenbar bald vorbei. Die Keimzellen Braks verschmolzen miteinander. Ab 3900 v.Chr. gingen die Keramikcluster ineinander über. Ein fast zusammenhängendes ringförmiges Areal entstand, in dessen Mitte sich der Zentralhügel erhob. Das Gesamtgebiet war mit 130 Hektar Fläche um fast das Zehnfache größer als alle Siedlungen im Umland zusammengenommen. Etwa gleichzeitig vermehrten sich im Zentrum die öffentlichen Bauten. Brak, die Stadt, war geboren.
Geplant hatte das niemand. Jason Ur: „Es scheint, als ob die Stadt wenigstens in Teilen das Ergebnis einer unabsichtlichen sozialen Veränderung war.” Dem stimmt Andrea Ricci zu. Der Landschaftsarchäologe an der Universität Kiel hat sich intensiv mit den Veränderungen der frühen Urbanität befasst: „Der Anlass dafür, dass Menschen Städte gründeten, waren soziokulturelle und klimatische Faktoren.” Zu den soziokulturellen zählt beispielsweise die Nähe zu einer politischen Größe wie einem König, der mit seinem Heer die Stadt beschützt. Mögliche klimatische Faktoren für eine Stadtgründung könnten regelmäßige Niederschläge oder günstige Bewässerungsmöglichkeiten sein. Nach Meinung Riccis spielten soziokulturelle Faktoren die größere Rolle.
Zufall oder Geniestreich – das Modell Stadt machte Schule. Nicht weit von Brak, nahe der Grenze zum Irak, liegt Hamoukar. Die 1999 entdeckte Siedlung hat viel mit Brak gemein. Anscheinend auch das Ende – denn beide Städte sind durch Kriege zerstört worden.
Hamoukar liefert den ältesten archäologischen Beleg für organisierte Kriegsführung. Clemens Reichel von der Universität Chicago entdeckte 2005 Reste eines drei Meter hohen Lehmwalls, der die Stadt einst umgeben hatte. Den Einwohnern hat die Befestigung nicht geholfen. Um 3500 v.Chr. wurde der Wall zerstört und die Bevölkerung vermutlich umgebracht. Einen ähnlichen Befund gibt es in Jericho. Warum dort die Lehmziegelmauer einstürzte, ist allerdings nicht bekannt – die biblischen Posaunen fallen als rationale Erklärung aus. Ein Angriff ist ebenso gut möglich wie ein Erdbeben. In Hamoukar aber ist der Fall klar.
Der Wall ist regelrecht durchsiebt worden. In seinen Bruchstücken steckten 1200 Kugeln aus gebranntem Lehm und 120 größere Tonbälle – Projektile, die vermutlich mit Schleudern abgeschossen wurden. Die durch Beschuss geschwächte Mauer brach schließlich im Feuer zusammen. Hamoukar fiel nicht bei einem kleinen Scharmützel, sondern in einer massiven Schlacht.
Aber die Geschichte der Stadt ging weiter. In den oberen Siedlungsschichten fanden die Ausgräber Keramik aus Uruk. Das lässt mehrere Schlüsse zu. Entweder eroberten Angreifer aus Uruk Hamoukar und ließen sich dort nieder. Oder Einwanderer aus Uruk fanden die zerstörte Stadt und bauten sie wieder auf. Zwei Szenarien, dieselbe Bedeutung: Das System Stadt lockte Menschen an. Nicht immer waren es friedliche Siedler.
Das mussten auch die Stadtväter Braks erfahren. Dort fand Augusta McMahon während der Grabungskampagne 2006 Massengräber mit 70 Skeletten. Die Indizien deuten auf einen Krieg hin: Alle Toten waren junge und mittelalte Männer, und sie waren zur selben Zeit gestorben.
DER KRIEG FÜHRT REGIE – auch heute
In der Vergangenheit hat Krieg die frühen Städte zerstört. In der Gegenwart hat er ausgelöst, dass sie wiedergefunden wurden. „ Im Irak waren 20 Jahre lang keine Ausgrabungen möglich. Deshalb verlagerte sich die Forschung im Nahen Osten auf Syrien”, sagt Andrea Ricci. Mit Erfolg, wie Brak und Hamoukar zeigen. Aber noch immer ist es der Krieg, der bei der Suche nach den Wurzeln der Zivilisation Regie führt: Seit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien 2011 liegen alle Fundstellen in einer Todeszone. Untersuchungen vor Ort sind unmöglich. Doch das entmutigt Jason Ur und seine Kollegen keineswegs. Sie forschen aus dem Weltall weiter.
Der Schlüssel zur Orient-Archäologie sind derzeit Satellitenaufnahmen. Anfang 2012 gab das Pentagon die Bilder einiger US-Militärsatelliten für die Wissenschaft frei. Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge dachte sich die passende Software aus. Seither stöbern Archäologen im Pixelbrei nach Schätzen. Sie können Bodenverfärbungen im Wüstensand unterscheiden und die für Tells typische Form der Überhügelung erkennen. Schon nach wenigen Monaten hat Jason Ur auf 23 000 Quadratkilometern syrischen Bodens etwa 900 mögliche Siedlungen entdeckt. Solange niemand an den verdächtigen Stellen gräbt, scheint die Satellitenforschung nur von begrenztem Nutzen. Aber Andrea Ricci hat noch ein Ass im Ärmel: „Die Satellitenaufnahmen sind für die Archäologie von fundamentaler Bedeutung. Auf ihnen sehen wir nicht nur die einzelnen Stätten, sondern auch ihre Verbindung untereinander mit Straßen- und Wassernetzen. Damit können wir ein großes Bild zusammensetzen.”
KNOTENPUNKT BRAK
Tatsächlich erinnern die Aufnahmen an ein Nervensystem. Sie zeigen 5000 Jahre alte Wege, auf denen einst Handelskarawanen entlangzogen. Diese Karawanenrouten sind bis zu 100 Meter breit. Mithilfe der Satellitenbilder stellen die Archäologen neue Modelle zur Entwicklung der frühen Städte auf. Demnach waren die wichtigsten urbanen Zentren nicht die, die an den größten Straßen lagen, sondern jene, zu denen die meisten Straßen führten – wie etwa Tell Brak.
Die Bilder aus dem Weltraum ergänzen die traditionelle Forschung. Archäologie vor Ort können sie jedoch nicht ersetzen. Von Uruk beispielsweise sind bisher nur fünf Prozent der Gesamtfläche untersucht – in 40 Grabungskampagnen. Und das Problem ist: Was ausgegraben ist, verkommt. Entweder vernichten Plünderer die jahrtausendealten Strukturen, oder die Natur schlägt zu. Die meisten der bekannten archäologischen Fundstätten im Irak sind nach 20 Jahren Grabungsstopp als Folge von periodischen Überflutungen mit einer meterdicken Schlammschicht bedeckt. Sollten die Ausgrabungen eines Tages fortgesetzt werden, muss diese Schicht in wochenlanger Arbeit erst einmal abgetragen werden.
Ob Agatha Christie und Max Mallowan 70 Jahre zuvor geahnt haben, was unter ihren Füßen lag? Immerhin hat Mallowan am Tell Brak einen Tempel ausgegraben und seine Begleiterin eine Erkenntnis gewonnen: „Ein Archäologe ist der beste Ehemann, den eine Frau haben kann. Je älter sie wird, desto mehr Interesse hat er an ihr.” ■
DIRK HUSEMANN ist Archäologe, Buchautor und Wissenschaftsjournalist und lebt bei Münster. Mit diesem Beitrag gibt er sein Debüt in bdw.
von Dirk Husemann
Vorreiter der Zivilisation
Die Region östlich des Mittelmeers hat es in sich: Sie war vor 10 000 Jahren nicht nur die Keimzelle von Ackerbau und Viehzucht, hier entwickelten sich auch die ersten Städte. Tell Brak in Nordsyrien hält neuerdings den Altersrekord.
Was ist eine Stadt?
Was Urbanität ausmacht, ist eine Frage der Auslegung. Ein lange gültiges Dogma der Städteforschung postulierte der US-Soziologe Louis Wirth in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Demnach durfte sich Stadt nennen, was viele Einwohner auf engem Raum beherbergt. Wirths Merkmale einer Stadt: soziale Hierarchie, Spezialistentum, ethnische Gruppen und mehr als eine Religion.
Louis Wirth lebte und lehrte in Chicago und New Orleans. Nicht von ungefähr erinnert seine Musterstadt an eine US-amerikanische Metropole. Da verwundert es etwas, dass Historiker jahrzehntelang Orte wie das antike Rom oder Athen an Wirths Schablone anlegten. Zwar passte die Definition in diesen beiden Fällen. Dafür klafften überall auf der Welt Lücken: Metropolen Altamerikas wie Tenochtitlan und Chichén Itzá wären nach Wirth ebenso wenig Städte gewesen wie Mohenjo Daro im Industal. In Ägypten hätte das Alte und Mittlere Reich ohne eine einzige Stadt auskommen müssen. Auch Angkor in Kambodscha hätte der Definition nicht standgehalten. Wirths soziologische Merkmale einer Stadt in die Geschichtsforschung zu übertragen, war ein Denkfehler, der erst seit einigen Jahren korrigiert ist.
Heute müssen sich die Städte der Frühzeit an anderen Kriterien messen lassen. Die Wichtigste: Eine Stadt übernimmt Funktionen für die Menschen in ihrem Hinterland. Sie ist Sitz einer Verwaltung. In ihr liegt das politische Zentrum, etwa der Palast eines Königs. Sie stellt wirtschaftliche Mechanismen wie Märkte und Lager bereit, religiöse Institutionen wie Tempel sowie kulturelle Einrichtungen wie Schulen oder Krankenhäuser. Im Gegenzug versorgt das Hinterland die Stadt mit Nahrung und Menschen. Das eine kann ohne das andere nicht funktionieren.
Kompakt
· Jericho bekommt den Titel „älteste Stadt der Welt” aberkannt.
· Archäologen benennen nun Tell Brak in Nordsyrien als heißesten Kandidaten dafür.
· Das Modell Stadt machte in der Region bald Schule, wie das benachbarte Hamoukar belegt.
Mit Bulldozern durchpflügt
Mittlerweile ist der Nordirak wieder für Untersuchungen geöffnet. Wer gräbt dort?
Der Nordirak ist in den kurdischen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimaniyah sicher. Es gibt daher inzwischen einige internationale archäologische Projekte, an denen US-Amerikaner, Italiener, Griechen, Dänen, Polen, Briten und Tschechen beteiligt sind. Wir selbst führen drei Projekte durch und sind in zwei weitere involviert.
Welche Perspektiven bieten sich langfristig?
Amerikaner und Italiener haben in diesem Frühjahr auch im Südirak gearbeitet. Inwieweit sich das fortsetzen lässt, ist jedoch offen. Vorhersagen sind kaum zu treffen.
Welche Risiken tragen Archäologen im Nahen Osten?
Grundsätzlich kein größeres Risiko als in einem europäischen Land. Wir arbeiten nicht – und schon gar nicht mit Nachwuchskräften – in Zeiten und an Orten mit übermäßigen Auseinandersetzungen. Dies wäre nicht nur unverantwortlich, sondern auch Zeit- und Ressourcen-Verschwendung.
Wie häufig werden unbeaufsichtigte Stätten geplündert?
Wir sehen immer wieder das Ergebnis von Plünderungen, wenn wir an einen Ort zurückkommen: umgewühlte archäologische Stätten, häufig mit dem Bulldozer durchpflügt. Grundsätzlich ist dies ein stark zunehmendes Problem weltweit – übrigens auch in Deutschland.
LESEN
Barthel Hrouda Mesopotamien Die antiken Kulturen zwischen Euphrat und Tigris C.H.Beck, München 2008, € 8,95
Hans Nissen Geschichte Alt-Vorderasiens Oldenbourg, München 1998, € 39,80
Rüdiger Gogräfe, Klaus Obermeier Syrien Hirmer, München 1995 (nur noch antiquarisch, ab € 59,99)
Peter Haupt Landschaftsarchäologie Eine Einführung Theiss, Stuttgart 2012, € 39,95
Charlotte Trümpler Agatha Christie und der Orient Scherz, Frankfurt/Bern 1998 (nur noch antiquarisch, ab € 16,–)
Agatha Christie Mord in Mesopotamien Fischer, Frankfurt am Main 2011, € 7,95