Wer waren die Menschen, die im Verlauf der Jahrtausende in Rom gelebt haben? Eine DNA-Untersuchung von menschlichen Überresten liefert nun Einblicke in die Bevölkerungsentwicklung im Bereich der Stadt in den letzten 12.000 Jahren. Demnach ähnelten die Menschen zu Beginn der Bevölkerungsentwicklung genetisch anderen Westeuropäern und auch nach der Antike stellte sich diese Mischungs-Struktur wieder ein. Doch während der Kaiserzeit hatten die meisten Bewohner Roms offenbar Vorfahren aus dem östlichen Mittelmeerraum oder dem Nahen Osten, geht aus den Ergebnissen hervor.
Sie war das legendäre Zentrum der antiken Welt: Die Stadt Rom beherbergte auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung in der Kaiserzeit über eine Million Einwohner und beherrschte ein Reich, das drei Kontinente und das gesamte Mittelmeer umfasste. Die große Bedeutung Roms und Mittelitaliens als kultureller Knotenpunkt gilt durch Überlieferungen und archäologische Funde als gut belegt. Bisher war allerdings nur wenig über die genetische Entwicklung der Bevölkerung im Lauf der Zeit bekannt – es war unklar, welche Gruppen wann ihre Spuren in dem menschlichen Schmelztiegel hinterlassen haben. Diesem Thema hat nun ein internationales Wissenschaftlerteam eine Studie gewidmet.
“Historische Aufzeichnungen und archäologische Erkenntnisse geben viel von der politischen Geschichte und den Kontakten mit unterschiedlichen Orten preis, so zum Beispiel von Handel und Sklaverei. Diese Aufzeichnungen geben jedoch nur bedingt Auskunft über die genetische Abstammung der Bevölkerung“, sagt Co-Autor Jonathan Pritchard von der Universität La Sapienza in Rom. Sein Kollege Ron Pinhasi von der Universität Wien ergänzt: “Daten aus fossiler DNA bieten eine neue Informationsquelle, die sich sehr gut mit der Sozialgeschichte der Bewohner Roms in unterschiedlichen Epochen in Einklang bringen lässt.”
Erbgut aus Funden liefert Einblicke
Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher 127 fossile DNA-Proben aus 29 Fundstätten in und um Rom analysiert, die von Menschen stammen, die dort in einem Zeitrahmen von 12.000 Jahren gelebt haben: von der Steinzeit bis ins Mittelalter. Die genetischen Daten konnten die Wissenschaftler mit vorhandenen Informationen zu heutigen und einstigen Bevölkerungsgruppen vergleichen, um Rückschlüsse auf Populationsentwicklungen oder Migrationsströme zu ermöglichen.
Wie die Forscher berichten, ergaben die Analysen der ältesten Proben ein ähnliches Bild wie im restlichen Europa: Vor ungefähr 8000 Jahren gab es in der Region einen Zustrom von Menschen, die die Landwirtschaft mit sich brachten und ursprünglich aus Gebieten in der heutigen Türkei und dem Iran gekommen waren. Vor ungefähr 5000 bis 3000 Jahren folgten dann Bevölkerungsgruppen, deren Vorfahren aus der ukrainischen Steppe stammten.
Wie die Forscher weiter berichten, hatte sich bis zur Zeit der Entstehung Roms, um 753 v. Chr., dann allerdings schon eine überraschend vielfältige Mischung in der Region gebildet. Sie ähnelte bereits modernen Völkern Europas und des Mittelmeerraums. “Dass wir auf so eine große genetische Vielfalt bereits zur Zeit der Entstehung Roms stoßen würden, hatten wir nicht erwartet. Die untersuchten Individuen hatten Vorfahren in Nordafrika, dem Nahen Osten und dem europäischen Mittelmeerraum”, erklärt Pinhasi.
Vor allem Einwanderer aus dem Osten
In den Ergebnissen der Proben aus der Zeit des römischen Reiches spiegelt sich dann allerdings eine andere Mischungsstruktur wider. Sie passt zu den enormen Dimensionen des Reichs, in dem sich die Bevölkerungsgruppen über Handelsnetze, Straßen, aber auch durch die Feldzüge und die Sklaverei vermischten. Wie die Forscher erklären, besaßen Menschen des östlichen Mittelmeerraums und des Nahen Ostens dabei den deutlich stärksten Einfluss in Rom. Vermutlich lag der starke Zuzug aus diesen Regionen daran, dass sie im Vergleich zu Nordafrika und den westlichen Bereichen Europas dichter besiedelt und hochentwickelter waren.
In der Spätantike verstärkte sich dann allerdings wieder der Einfluss von Menschen aus Westeuropa, wie aus den Daten hervorgeht. Dies hatte offenbar mit den Auswirkungen der Völkerwanderung zu tun und den Turbulenzen in der Zeit des Niedergangs des Imperiums:
Nach der Teilung des Römischen Reichs kam es zu Seuchen, die die Bevölkerung Roms stark dezimierten, sowie zu einer Reihe von Invasionen, angeführt von der Plünderung Roms durch die Westgoten im Jahr 410 n. Chr. In der Folge erhöhte sich dann offenbar der Anteil von Menschen aus Zentraleuropa. Im Verlauf des Mittelalters kam es dann zu einem weiteren Zustrom von Menschen, die Vorfahren in Mittel- und Nordeuropa besaßen, berichten die Wissenschaftler.
Wie sie ankündigen, wollen sie der genetischen Geschichte Roms nun auch weiter nachgehen: “Jetzt geht es an die Planung neuer Studien, die die Interaktion zwischen den Mitgliedern unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten im Römischen Reich untersuchen. Der Fokus soll dabei unter anderem auf den Wanderungsbewegungen bestimmter Bevölkerungsgruppen aus unterschiedlichen Regionen liegen”, sagt Pinhasi abschließend.
Quelle: Universität Wien, Fachartikel: Science, doi:10.1126/science.aay6826