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Pompeji-Tote: DNA enthüllt Irrtümer bei bisheriger Zuordnung

Genetik

Pompeji-Tote: DNA enthüllt Irrtümer bei bisheriger Zuordnung
Abgüsse von in Pompeji verschütteten Menschen
Abgüsse von in Pompeji verschütteten Menschen. © Archeological Park of Pompeii

Vor rund 2000 Jahren wurden die römische Stadt Pompeji und ihre Bewohner bei einem Vulkanausbruch begraben. Von den Überresten gesammelte DNA enthüllt nun, dass das gesellschaftliche und familiäre Zusammenleben der Pompejianer anders aussah als anhand späterer sozialer Konstellationen angenommen. Die DNA-Beweise zeigen beispielsweise, dass einige der untersuchten Individuen keine „klassische“ Familie waren, wonach die bisherigen Interpretationen vorschnell und falsch waren. Zudem belegen die Gene, dass in der römischen Stadt Migranten aus verschiedenen Regionen lebten.

Im Jahr 79 n. Chr. brach in Süditalien das als Somma-Vesuv bekannte aktive Vulkansystem aus und begrub unter anderem die kleine römische Stadt Pompeji und alle darin lebenden Menschen. Der Ausbruch von Pompeji bedeckte alles mit einer Gesteins- und Ascheschicht, die viele der Leichen konservierte. Lange Zeit wurden die Stadt und das Schicksal ihrer Bewohner vergessen, bevor Pompeji in den 1700er Jahren südlich von Neapel wiederentdeckt wurde. Die erhaltenen Häuser, Alltagsobjekte und Toten liefern heute wertvolle und einzigartige Hinweise darauf, wie das gesellschaftliche Leben in der Stadt und im Römischen Reich einst aussah.

Wichtige Anhaltspunkte dafür lieferten bislang vor allem die ausgegrabenen Gebäude und kulturellen Gegenstände sowie Aussehen und Position der Toten: Obwohl das Weichgewebe verfiel, blieben die Umrisse der Leichen erhalten; die so entstandenen Hohlräume in der Asche wurden Jahrhunderte später von Forschenden mit Gips gefüllt, um Abdrücke zu erzeugen. Dabei nahmen sie jedoch auch künstlerische Veränderungen vor, so dass die Funde mit Vorbehalt zu betrachten sind.

Wie sahen die familiären Beziehungen der Pompejianer aus?

Wer die Opfer waren und wie sie zusammenlebten, hat nun ein Team um Elena Pilli von der Universität Florenz genauer untersucht. Dafür nahmen die Biologen Proben von 14 mit Gipsabdrücken vermischten Skelett-Überresten, die einzeln, paarweise oder in kleinen Gruppen gefunden wurden. In einem Raum schienen beispielsweise eine Mutter mit goldenem Armband und kleinem Kind auf dem Schoß sowie ein Mann mit älterem Kind beieinander zu liegen. Dieses Ensemble interpretierten Forscher bislang als eine Familie. Ob das stimmt, haben nun Pilli und ihre Kollegen anhand von DNA-Analysen der Überreste dieser und weiterer Toten aus Pompeji überprüft. Sie analysierten das Geschlecht und die Verwandtschaftsbeziehungen dieser Menschen. Mithilfe von Strontium-Isotopen datierten sie zudem das Alter der Personen.

Abgüsse von in Pompeji verschütteten Menschen
Abgüsse von in Pompeji verschütteten Menschen. © Archeological Park of Pompeii

Die Ergebnisse widerlegen nun in mehreren Fällen die lang gehegten Annahmen über die familiären Beziehungen der Bewohner Pompejis. So handelte es sich bei der vermeintlichen Mutter mit Kind der DNA-Analyse zufolge um einen Mann mit einem nicht mit ihm verwandten Kind. Auch mit den zwei im selben Raum gefunden Menschen, einem Mann und Jungen, waren die beiden nicht verwandt. Diese vier Personen waren demnach doch keine biologische Familie, wie lange gedacht. „In ähnlicher Weise stellten wir genetisch fest, dass ein weiteres, sich scheinbar umarmendes Paar, von denen man annahm, dass es sich um Schwestern oder Mutter und Tochter handelte, mindestens einen Mann umfasste“, berichtet Co-Autor David Reich von der Harvard University.

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„Unsere wissenschaftlichen Daten stimmen nicht immer mit den gängigen Annahmen überein und stellen diese traditionellen geschlechtsspezifischen und familiären Annahmen in Frage“, so Reich. Schmuck wurde beispielweise lange fälschlicherweise mit Weiblichkeit assoziiert und körperliche Nähe als Indikator für biologische Verwandtschaft interpretiert. „Die Studie zeigt, wie unzuverlässig Narrative sein können, die auf begrenzten Beweisen beruhen und oft die Weltanschauung der Forscher zu dieser Zeit widerspiegeln“, sagt Co-Autor David Caramelli von der Universität Florenz. „Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, genetische Daten mit archäologischen und historischen Informationen zu integrieren, um Fehlinterpretationen auf der Grundlage moderner Annahmen zu vermeiden“, ergänzt Seniorautorin Alissa Mittnik von der Harvard University.

Migranten aus dem Osten des Römischen Reiches

Darüber hinaus enthüllten die genetischen Daten, dass die untersuchten Pompejianer in erster Linie von neueren Einwanderern aus verschiedenen Regionen im östlichen Mittelmeerraum abstammten und trotz räumlicher Nähe nicht eng miteinander verwandt waren. In der römischen Hafenstadt lebten demnach einst genetisch vielfältige Bevölkerungsgruppen eng zusammen. „Diese Studie unterstreicht den vielfältigen und kosmopolitischen Charakter der Bevölkerung von Pompeji und spiegelt breitere Muster der Mobilität und des kulturellen Austauschs im Römischen Reich wider“, sagt Mittnik.

Quelle: Elena Pilli (Universität Florenz) et al.; Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2024.10.007

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