Wenn der Klimawandel wie befürchtet weitergeht, werden wir uns mit problematischen Folgen arrangieren müssen, heißt es. Was kann uns dazu der Blick in die Geschichte sagen? Welche Folgen natürliche Klimaveränderungen für die Menschen vor Jahrtausenden hatten, lässt sich nur erahnen, könnte man meinen. Doch nun haben Forscher interessante Einblicke gewonnen, wie Menschen vor 8200 Jahren auf eine bekannte vorübergehende Klimaverschiebung reagiert haben: Es zeichnen sich die harscher werdenden Bedingungen ab, aber auch Überlebensstrategien.
Im Fokus der Studie standen die Überreste der jungsteinzeitlichen Siedlung Çatalhöyük, die von etwa 7500 v. Chr. bis 5700 v. Chr. im Süden der heutigen Türkei existiert hat. Interessanterweise fällt in die Blütezeit dieser Siedlung ein gut dokumentierter Klimawandel: Wie aus der Analyse grönländischer Eisbohrkerne und weiterer Spuren hervorgeht, kam es vor etwa 8200 Jahren weltweit zu einem abrupten Wandel hin zu kühlen und trockenen Bedingungen, die etwa 160 Jahre andauerten. Welche Auswirkungen dieser Klimaeffekt auf die bereits damals existierenden menschlichen Gemeinschaften der Erde besaß, ist bisher weitgehend unbekannt. Wie die Forscher um Mélanie Roffet-Salque von der University of Bristol nun berichten, spiegeln sich in ihren Untersuchungsergebnissen aus Çatalhöyük nun Entwicklungen wider, zu denen es in der fraglichen Zeit in der Siedlung gekommen ist.
Ziegen statt Rinder
Bei der Untersuchung der am Standort ausgegrabenen Tierknochen zeichnete sich den Forschern zufolge ab: In der Zeit des Klimawandels haben die Hirten der Siedlung ihre Rinder durch Schafe und Ziegen ersetzt. Der Grund liegt auf der Hand, sagen die Archäologen: Diese Nutztiere sind deutlich dürreresistenter als Rinder. Wie sie berichten, spiegelt sich zudem in intensiveren Schnittspuren an den Tierknochen eine Veränderung der Schlachtpraktiken wider: Zur Zeit des Klimageschehens kam es offenbar zu Nahrungsmittelknappheit, weshalb die Menschen versuchten, möglichst jedes Stückchen Fleisch zu verwerten. Auch in den Baustrukturen fanden die Forscher Hinweise: In der fraglichen Zeit war es demnach zu Veränderungen in den Wohngebäuden gekommen, die auf eine Verlagerung der kommunalen Struktur zu kleinen, unabhängigen Familiengemeinschaften hindeuten.
Wie Roffet-Salque und ihre Kollegen betonen, bestand ein besonders wichtiger Teil ihrer Studie auch in der Charakterisierung von Fettrückständen aus den gefundenen Tongefäßen. Nach der zeitlichen Einordnung durch die Radiokarbon-Datierung unterzogen sie die Forscher einer Isotopenanalyse. Bei den Ergebnissen handelt es sich um Muster, die sich bestimmten Tieren aber auch dem zuordnen lassen, was sie gefressen haben. Die Wissenschaftler konnten auf diese Weise zunächst die Ergebnisse der Knochenfunde bestätigen: Es war zu einer Verschiebung von Rinder- zu Ziegen- und Schafshaltung gekommen.
Klima-Informationen in uralten Fettrückständen
Nach dem Prinzip “Ein Wesen ist, was es isst” konnten die Forscher darüber hinaus zeigen, dass was in den Töpfen einst geköchelt hat, von Tieren stammte, die es mit ungewöhnlich trockenen Klimabedingungen in der fraglichen Periode zu tun gehabt haben. Konkret: In dem Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff in den tierischen Fettrückständen spiegelte sich eine Änderung der Niederschlagsmuster am Standort zu dieser Zeit wider.
“Veränderungen in den Niederschlagsmustern in der Vergangenheit wurden bislang durch Sedimentkerne aus Meeres- oder Seegebieten nachgewiesen. Erstmals stammensolche Informationen nun aus Kochtöpfen“, sagt Roffet-Salque. “Dies eröffnet einen völlig neuen Weg der Untersuchung – die Rekonstruktion vergangener Klimabedingungen an dem Ort, an dem Menschen einst Keramik benutzten”, so die Wissenschaftlerin.
Quelle: University of Bristol, PNAS, doi:/10.1073/pnas.1803607115 PNAS