Anzeige
1 Monat GRATIS testen. Danach zum Jubiläumspreis weiterlesen.
Startseite »

Hand und Fuß von Homo naledi

Geschichte|Archäologie

Hand und Fuß von Homo naledi
15-10-06-naledi.jpg
Der Homo naledi besaß einzigartige Hände und Füße (Peter Schmid/ Will Harcourt-Smith)
Erst vor kurzem enthüllten Fossilfunde in Südafrika einen neuen Ast am Stammbaum des Menschen: den Homo naledi. Schon damals staunten die Forscher über das seltsame Mosaik aus primitiven und verblüffend modernen Merkmalen dieses Vormenschen. Jetzt haben Anthropologen sich Hände und Füße des Homo naledi genauer angeschaut. Demnach besaß er modernere Füße als jeder andere Vormensch und stellte wahrscheinlich schon regelmäßig Werkzeuge her. Warum sein Gehirn trotzdem so klein war, bleibt rätselhaft.

Noch ist völlig unklar, wo der Homo naledi in den Stammbaum des Menschen einzuordnen ist. Denn obwohl Paläontologen in der Rising-Star-Höhle bei Kapstadt die Überreste von mindestens 15 Vertretern dieses Vormenschen entdeckt haben, sind sie bisher nicht datierbar. Ob dieser Hominine ein Zeitgenosse des Australopithecus war, des Homo habilis oder Homo erectus, ist daher bisher unklar. Ebenso rätselhaft ist das evolutionäre Mosaik seiner Merkmale. Denn der zierliche Vormensch besaß nur ein Gehirn von der Größe einer Orange – und damit ein ziemlich primitives Denkorgan. Andererseits aber stellten die Forscher bereits bei ersten Untersuchungen fest, dass andere Körperteile, darunter die Hände und Füße, in manchen Aspekten ziemlich modern waren. Zwei Forscherteams haben sich die Hand- und Fußrelikte des Homo naledi nun vorgenommen und genauer analysiert.

Die Hand: Präziser Griff mit krummen Fingern

Tracy Kivell von der University of Kent in Canterbury und ihr Team untersuchten die Knochen einer nahezu vollständigen rechten Hand des Homo naledi. Dabei zeigten sich schon am Daumen erstaunlich moderne Merkmale: Zwei gut ausgeprägte Muskelansatzstellen verraten, dass der Vormensch bereits viel Kraft in seinem Daumen besaß. “Einer dieser Muskeln ist wichtig für die Opposition von Daumen und Fingern, und dafür, große Objekte festhalten und manipulieren zu können”, erklären die Forscher. “Der zweite Muskel wird für das präzise Zugreifen benötigt.” Auch das Handgelenk des Homo naledi ähnelt verblüffend stark dem des modernen Menschen und des Neandertalers. Seine Anatomie erlaubte es ihm, Objekte besser mit einer Hand zu halten und zu bewegen. “Diese Kombination von Merkmalen findet man nur bei engagierten, regelmäßigen Werkzeugnutzern”, sagen Kivell und ihre Kollegen. Auch wenn in der Höhle bisher keine Faustkeile oder andere Werkzeuge gefunden wurden, spricht dies ihrer Ansicht nach klar dafür, dass dieser Vormensch sich schon daran angepasst hatte, Werkzeuge herzustellen und einzusetzen.

Das zweite Erstaunliche an den Händen des Homo naledi sind seine Finger. “Die Finger sind lang und bemerkenswert gekrümmt, ähnlich wie bei heutigen Menschenaffen und frühen Homininen”, berichten die Anthropologen. Mittel- und Ringfinger sind sogar länger als die fast jedes anderen bekannten Vormenschenfossils. Gemeinhin gilt diese Kombination als typische Anpassung an eine kletternde Lebensweise: Die gebogenen Finger geben einen besseren Halt beim Greifen von Ästen und Festhalten in der Baumkrone.  Daraus schließen die Forscher, dass Homo naledi zumindest einen Teil seiner Zeit noch in den Bäumen verbrachte. Daraus ergibt sich allerdings eine äußerst ungewöhnliche Kombination: Ein Vormensch, der noch in den Bäumen umherkletterte wie in Affe, aber trotzdem schon aufrecht ging und regelmäßig Werkzeuge nutze und herstellte. “Die Hand des Homo naledi belegt, dass beides durchaus miteinander vereinbar war”, so Kivell und ihre Kollegen.

Der Fuß: Moderner als von jedem anderen Vormenschen

Ähnlich verwirrend und einzigartig sind auch die Ergebnisse für den Fuß des Homo naledi. William Harcourt-Smith von der City University of New York und sein Team haben dafür 107 Fußknochen aus der Rising-Star-Höhle analysiert. Dabei stießen sie ebenfalls auf sehr moderne Merkmale. So deuten die Proportionen und Winkel der Fußknochen darauf hin, dass die Füße das Gewicht des Vormenschen bestens tragen konnten und ähnlich gut zum Gehen geeignet waren wie unsere Füße auch. Der Mittelfuß war schon deutlich steifer als bei Menschenaffen und dem Australopithecus sediba. Andererseits war das Fußgewölbe noch flach, die Ferse menschenaffenähnlich und die Zehen waren – ähnlich wie die Finger – auffallend gekrümmt. Dennoch: Insgesamt besaß der Homo naledi bereits erstaunlich modernen Füße – und ziemlich einzigartige. “Sie sind weiter entwickelt als die aller frühen Menschenformen mit Ausnahme des Neandertalers und modernen Menschen”, konstatieren Harcourt-Smith und seine Kollegen.

Anzeige

Diese Erkenntnisse bestätigen, dass der Homo naledi ein einzigartiges Mosaik aus alten und modernen Merkmalen darstellt. Und sie werfen einige Fragen auf. Denn sollte Homo naledi ein Zeitgenosse der Australopithecinen gewesen sein, dann war er ihnen zumindest in Werkzeugnutzung und Fußanatomie weit voraus. Lebte dieser Vormensch jedoch später, dann stellt sich die Frage, warum er ein noch immer so kleines Gehirn besaß. Solange es nicht gelingt, die Fossilien aus der Rising-Star-Höhle genauer zu datieren, wird es schwer sein, die Rolle des rätselhaften Homo naledi in die Menschheitsgeschichte einzuordnen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
Anzeige
Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Youtube Music
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Erd|klum|pen  〈m. 4〉 zusammengeballte Erde

Ram|bu|tan  I 〈m. 1; Bot.〉 ein Seifenbaumgewächs, großer Baum mit gefiederten Blättern u. essbaren Früchten II 〈f. 10〉 in Südostasien verbreitete, der Litschi ähnliche Frucht des Rambutans ( … mehr

Kra|nio|lo|gie  〈f. 19; unz.〉 Teilgebiet der Anthropologie, Beschreibung des menschl. Schädels als Ganzes u. der Veränderungen am Schädel während des Wachstums; Sy Phrenologie … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige