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Fossilien in kolonialer Verpackung enthüllt

Paläontologie & Geschichte

Fossilien in kolonialer Verpackung enthüllt
Virtuelle Rekonstruktion einer Bambustrommel mit Fundstücken und Fossilien-gefüllten Konservendosen. © Daniela Schwarz, Museum für Naturkunde Berlin

Objekte mit paläontologischer, aber auch historischer Bedeutung: Forscher haben zerstörungsfrei Einblicke in 46 rund 110 Jahre alte Behälter mit kolonialem Fundmaterial gewonnen. Die bislang ungeöffneten Bambustrommeln und speziell befüllten Kisten stammen von der Tendaguru-Expedition in der einstigen Kolonie Deutsch-Ostafrika. Die computertomographischen Aufnahmen enthüllten Dinosaurierfossilien, die für genauere Untersuchungen interessant sein könnten. Zudem verdeutlicht die Studie erneut die Vorgehensweisen der deutschen Paläontologen in der problematischen Kolonial-Ära.

Insgesamt 230 Tonnen Fundmaterial wurden zwischen 1909 und 1913 zur Küste des heutigen Tansanias geschleppt und nach Deutschland verschifft: Der Aufwand im Rahmen der sogenannten Tendaguru-Expedition war enorm. Organisiert wurde das Projekt in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika vom Museum für Naturkunde Berlin (MfN). Bis heute bilden die teils spektakulären Dinosaurierfossilien aus der Tendaguru-Expedition die Prunkstücke des Museums. Überraschenderweise ist das Fundmaterial allerdings noch immer nicht komplett ausgewertet. Denn man war den enormen Lieferungen schlicht nicht gewachsen. So lagern bis heute original verpackte Fundbehälter im Archiv des Museums. Es handelt sich um sechs Holzkisten sowie 40 damals speziell angefertigte Trommeln mit einem „Korsett“ aus Bambusstäben.

„Spezielles“ Archivmaterial durchleuchtet

„Bislang bestand eine große Unsicherheit, wie mit diesem Material umzugehen ist, da die physische Präparation viel Zeit erfordert und man zudem historische Zeitdokumente nicht zerstören will“, sagt Erst-Autorin Daniela Schwarz vom MfN. So entschlossen sich die Paläontologin und ihre Kollegen, die Objekte schonend zu „durchleuchten“. Dazu kamen veterinärmedizinische Computertomographen der Charité Universitätsmedizin Berlin zum Einsatz, die normalerweise genutzt werden, um in die Körper von großen Tieren zu blicken. In diese Geräte schoben die Forscher nun die Trommeln und Kisten. „Wir kannten zwar die zu erwartenden Dinosaurierarten aus diesem Steinbruch und die Verpackungsmethoden sind auch schon beschrieben worden. Aber es war für uns alle doch sehr spannend, endlich zu wissen, was genau in den restlichen Bambustrommeln steckt, ohne diese alle gleich öffnen zu müssen“, sagt Schwarz.

Wie das Team berichtet, enthüllte die virtuelle Präparation vor allem viele einzelne Knochen, die sich dem sogenannten Gazellendinosaurier Dysalotosaurus lettowvorbecki zuordnen lassen. Darüber hinaus zeichneten sich auch einige Fossilien des „Stacheldinosauriers“ Kentrosaurus ab sowie Knochen, die von Langhalssauriern – Sauropoden – stammen. So konnten die Forscher nun eine Priorisierungsliste erstellen, die bei Entscheidungen helfen soll, bei welchem Material sich eine paläontologische Präparation lohnen könnte. „Bei der virtuellen Erschließung dieses Materials waren mehrere Aspekte wichtig: Zum einen wollten wir das Fossilmaterial aus Tendaguru virtuell für jeden verfügbar machen, und zum anderen war es wichtig, Prioritäten für die Präparation zu definieren. So sollte sich auch besser entscheiden lassen, was als wertvolles Zeitzeugnis dieser historischen Expedition unter kolonialen Bedingungen im Originalzustand aufbewahrt werden sollte“, so Schwarz.

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Dino-Fossilien mit Kontext

Die Studie verdeutlichte auch erneut, welche Methoden die Paläontologen vor rund 110 Jahren im Rahmen der Tendaguru-Expedition verwendet haben. Neben ganzen Gesteinsbrocken mit möglichem Inhalt wurden Knochenfunde auch in Lehmknollen eingebettet und in die Transportbehälter gelegt. Zudem wurden kleinere Knöchelchen im Bereich des Fundortes in Konservendosen gesammelt. Diese Objekte wurden dann in die speziell angefertigten Bambustrommeln gelegt und als Füllmaterial diente dabei Savannengras. Ein Großteil der Arbeit wurde von ortsansässigen Arbeitern verrichtet und die Behälter wurden anschließend in mehrtägigen Fußmärschen von Trägerkolonnen zur Küste geschleppt.

Dies richtet wiederum den Blick auf ein heikles Thema, mit dem sich das Berliner Naturkundemuseum derzeit intensiv beschäftigt: die kritische Betrachtung der Vorgehensweisen in der Ära der deutschen Kolonialherrschaft in Afrika. „Die Arbeit ist Teil eines großen interdisziplinären wissenschaftlichen Programmes, in dem sich das Museum für Naturkunde Berlin konsequent mit seiner kolonialen Vergangenheit auseinandersetzt“, schreibt das MfN.

Quelle: Museum für Naturkunde Berlin, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V., Fachartikel: Palaeontologia Electronica, doi: 10.26879/1231

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