“Blut-Coltan”, das aus Krisengebieten stammt und Rebellen als Einnahmequelle dient, ließe sich so von Erz unterscheiden, das unter kontrollierten Bedingungen in Minen etwa in Brasilien oder Australien abgebaut wurde. Würden sich die Weltgemeinschaft oder die großen Elektronikkonzerne entschließen, künftig nur noch solches Erz zu kaufen, verlören die Rebellen auf einen Schlag eine wichtige Einnahmequelle.
Eine solche Herkunftskontrolle für Erze würde jedoch nicht automatisch bedeuten, dass überhaupt kein Material mehr aus dem Kongo exportiert wird. Schließlich leben derzeit rund zehn Millionen Menschen in dem afrikanischen Riesenstaat vom Kleinbergbau. “Man kann den Leuten nicht einfach die Existenzgrundlage entziehen”, erklärt Melcher. Was dem Forscher aus Hannover vorschwebt, ist die Etablierung “angemessener Arbeitsstandards und Prüfmechanismen, die es möglich machen, saubere Rohstoffe von dort zu kaufen”.
Einen politisch sauberen Rohstoff, das wünscht sich auch das Unternehmen H. C. Starck in Goslar in Niedersachsen. Der Spezialpulverhersteller kauft Coltan an, mahlt das Erz in Gesteinsmühlen klein und scheidet mit Hilfe der aggressiven Flusssäure das Tantal vom Erz ab. Das begehrte Metall bleibt am Ende des Verfahrens als schwarz-graues Pulver übrig. In der Mehrzahl wird es zur Herstellung winziger Kondensatoren verwendet: Ein paar Dutzend solcher nur wenige tausendstel Millimeter großen Körner werden dazu in mehreren Schritten zu mikroskopisch kleinen Schwämmen umgeformt. Diese Schwämme haben eine extrem große Oberfläche und können daher als Kondensator sehr schnell elektrische Ladungen aufnehmen.
Für H. C. Starck, einem der größten Akteure auf dem weltweiten Tantal-Markt, könnte das von Melcher und seinen Kollegen entwickelte Verfahren mehr Sicherheit bedeuten hatte das Unternehmen doch Anfang des Jahrzehnts ein massives Imageproblem, nachdem ihm in einem Bericht der Vereinten Nationen vorgeworfen worden war, Coltan aus Krisenregionen am Kongo bezogen zu haben. “Wir hatten bei Händlern gekauft, die uns zuverlässig erschienen”, erklärt Pressesprecher Manfred Bütefisch im Gespräch mit “bild der wissenschaft”. “Aber sie hatten uns nicht die Wahrheit über die Herkunft ihrer Lieferung gesagt”. Seither beziehe das Unternehmen überhaupt kein Coltan mehr aus Afrika.
Doch der Weltmarkt ist in Bewegung: Da afrikanisches Coltan deutlich billiger ist als Erz aus anderen Kontinenten, kaufen chinesische Händler zunehmend auch im Kongo ein. Hersteller wie das australische Unternehmen Talison konnten da nicht mehr mithalten und haben ihre Produktion eingestellt. H. C. Starck will daher neue Wege beschreiten und hat daher in Ruanda eine eigene Mine übernommen. So hat das Unternehmen die gesamte Produktionskette selbst in der Hand: “Von der Förderung bis zur Verarbeitung zum Kondensator, ohne Zwischenhändler”, erklärt Rohstoffmanager Joern Vogt.
Der Nachweis einer sauberen Produktion entwickelt sich bereits zum Wettbewerbsvorteil: IT-Hersteller und Mobilfunk-Unternehmen wie Apple, Intel, Nokia und Sony verlangen heute von ihren Zulieferern Nachweise, dass am gelieferten Tantal kein Blut klebt. Eine sichere und unabhängige Kontrolle dieser Nachweise könnte allerdings nur das von Melcher und seinen Kollegen entwickelte Verfahren bieten.
Auch afrikanische Bergbauunternehmen sind inzwischen an der Technik interessiert: Bei einem Zertifizierungs-Workshop in Ruanda hatten sich die Chefs zwar zunächst sehr verhalten gezeigt, inzwischen wollen sich jedoch vier Unternehmen mit ihren Handelsketten zertifizieren lassen. “Sie haben Angst, eine Chance zu verpassen und gegenüber der Konkurrenz im Nachteil zu sein”, erläutert die Geoökologin Gudrun Franken von der BGR die Gründe. Was in Ruanda bereits anläuft, könnte nach dem Willen der Experten künftig auch am Kongo funktionieren. In dem kriegsgeschüttelten und von Chaos geprägten Land dürfte dies allerdings ein weitaus schwierigeres und gefährlicheres Unterfangen sein.