Neue Daten über die Klimageschichte Grönlands dokumentieren vermutlich die Ursache für das Ende der Besiedlung durch die Wikinger: Nach rund 500 Jahren hatten die Klimastürze die ersten europäischen Siedler auf dem nordamerikanischen Kontinent schließlich besiegt. Das vermutet ein Wissenschaftlerteam um William D?Andrea University of Nebraska anhand von Klimadaten aus Sedimentproben zweier grönländischer Seen gewonnen haben.
Bereits um 875 n.Chr. entdeckte der Wikinger Gunnbjørn bei einer Erkundungsfahrt die größte Insel der Welt, die geographisch betrachtet zum nordamerikanischen Kontinent gehört. 982 erreichte dann Erik der Rote von Island aus den Südwesten der Insel, die er Grænland, altnordisch für ?Grünland? nannte. Diese Bezeichnung verdeutlicht die Klimabedingungen, die damals dort herrschten. Durch die mittelalterliche Warmzeit gedieh im südlichen Küstengebiet eine üppige Vegetation. Möglicherweise sollte der attraktive Name aber auch Siedler anlocken. 986 kamen sie tatsächlich: Von Island aus erreichten Auswandererschiffe den Süden Grönlands. Aus der Zeit um 1000 sind Wohn- und Kirchenruinen der nordländischen Siedler erhalten. Etwa 500 Jahre hielten die zähen Wikinger hier die Stellung. Aus dem Jahr 1408 stammt die letzte schriftliche Aufzeichnung der Nordmänner, die von einer Hochzeit berichtet. Danach verwischt sich das Schicksal der letzten Einwohner im Dunkel der Geschichte.
Die Strapazen, die zum Untergang führten, spiegeln sich in den Klimadaten wider, vermuten jetzt die Wissenschaftler um D?Andrea: Schon ab etwa 1100 schlug das Klima auf Grönland frostige Kapriolen und machte den Menschen das Leben schwer. Um etwa vier Grad fielen die Jahresdurchschnittswerte, zeigen die Analysen von Sedimenten der Grönländischen Seen aus dem ehemaligen Siedlungsgebiet. William D’Andrea beschreibt das Szenario so: ?Zuerst konnten die Menschen vom Ertrag ihrer Höfe gut leben, doch dann wurden die Sommer Jahr für Jahr kürzer, die Ernten magerer und die Winter härter.? Vermutlich hat auch die wachsenden Eisflächen die Schifffahrtswege nach Skandinavien blockiert und damit den Handel, vermuten die Forscher.
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts setzte dann wahrscheinlich die Kälteperiode der sogenannten Kleinen Eiszeit den Schlussstrich unter die Herrschaft der Wikinger über Grönland. Diese Kälteperiode, die über mehrere Jahrhunderte andauerte, brachte auch in Europa Missernten und Hungersnöte. ?Es ist interessant, wie stark Klimaschwankungen die Geschichte der Menschheit beeinflusst haben – besonders angesichts des aktuellen Klimawandels?, kommentiert Co-Autor Yongsong Huang Brown von der University in Providence.
William D?Andrea (University of Nebraska) et al.: “PNAS”, doi: 10.1073/pnas.1101708108. wissenschaft.de ?
Martin Vieweg