Wie weit diese Widerstandsfähigkeit tatsächlich reicht und ob in armen Verhältnissen aufgewachsene Kinder auch körperlich keine weiteren Folgen davontragen, das haben die US-Forscher nun genauer untersucht. Für ihre Studie verfolgten sie den Werdegang von 489 afroamerikanischen Jugendlichen im Süden der USA. Ein großer Teil dieser Kinder stammte aus armen Familien. Im Alter von 11 bis 13 Jahren wurden alle Schüler einmal jährlich psychologisch getestet und ihre schulischen und sozialen Fähigkeiten von ihren Lehrern bewertet. Als die Jugendlichen 19 Jahre alt waren, entnahmen die Forscher ihnen Blutproben und unterzogen sie zudem einer gründlichen körperlichen Untersuchung. Ziel war es dabei, die sogenannte allostatische Last zu ermitteln – die gesundheitliche Belastung, die durch erhöhte Werte des Stresshormons Cortisol, einen hohen Blutdruck und ein zu hohes oder zu niedriges Körpergewicht entsteht.
Messbarer Preis des Erfolgs
Das Ergebnis: Die Jugendlichen, die ihre schwierige sozioökonomische Lage gut meisterten und ihre Schulzeit mit großem Erfolg und scheinbar unbeschadet bewältigten, zeigten dennoch deutliche körperliche Spuren dieser Anstrengung. In ihrem Blut fanden die Forscher unter anderem signifikant erhöhte Cortisolwerte und einen erhöhten Blutdruck – ein klares Zeichen für eine Stressbelastung des Körpers. Langanhaltender Stress aber mache die Kinder und Jugendlichen später anfälliger für Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Herzkreislauferkrankungen. “Das zeigt, dass die scheinbare Widerstandsfähigkeit solcher Kinder nicht sehr weit unter die Oberfläche reicht”, erklären die Forscher. Der soziale, akademische und emotionale Erfolg habe für sie einen physiologischen Preis.
Nach Ansicht der Forscher könnten die von ihnen entdeckten Effekte auch erklären, warum manche Menschen trotz scheinbar gleicher Lebensumstände eher an Volkskrankheiten wie Diabetes, Schlaganfall oder Herzinfarkt erkranken als andere. Auch wenn es ihnen und ihrer gesellschaftlichen Position äußerlich nicht mehr anzumerken ist, war ihr Körper vor allem während der Kindheit und Jugend stärkeren physiologischen Belastungen ausgesetzt – und die könnten noch Jahrzehnte später Folgen nach sich ziehen. “Auch bei Kindern, die äußerlich gut klarkommen und scheinbar alle Probleme gut meistern ist es daher wichtig, die physiologische Stressbelastung regelmäßig zu prüfen”, sagt Brody. Er und seine Kollegen wollen nun untersuchen, ob sich die körperlichen Folgen durch gezielte Maßnahmen und Präventionsprogramme lindern lassen.