Die Ureinwohner Südamerikas sind näher mit Australiern und Afrikanern verwandt als mit nordamerikanischen Indianern. Zu diesem Schluss gelangen zwei brasilianische Wissenschaftler durch Studien an 81 fossilen Schädeln, die von Ausgrabungen in der Lagoa-Santa-Region in Zentralbrasilien stammen. Walter Neves und Mark Hubbe verglichen die zwischen 7.500 und 11.000 Jahre alten Schädel mit anderen, die in verschiedenen Teilen der Welt ausgegraben worden waren. Nach Ansicht der Forscher stützen die Ergebnisse die Hypothese, wonach die Neue Welt von zwei verschiedenen Stämmen besiedelt worden sei.
Der Gesichtsschädel sowohl prähistorischer als auch heutiger Indianer Nordamerikas erinnert an den von Bewohnern Nordasiens, erklären die Wissenschaftler. Im Unterschied dazu ähneln die in der Lagoa-Santa-Region gefundenen Schädel jenen der Bevölkerung Australiens, Melanesiens und der afrikanischen Gebiete südlich der Sahara: Bei allen findet sich die so genannte Paläoamerikanische Morphologie, zu der etwa ein vorstehender Unterkiefer, eine breite Nase und weite Augenhöhlen zählen. Besonders stark erinnern die brasilianischen Schädel an jene von Menschen aus Australien, sagen die Forscher.
Ihrer Ansicht nach sprechen die gefundenen Ergebnisse für die Hypothese einer Besiedlung Amerikas in zwei Wellen: Als erstes sollen im späten Pleistozän ? vor über 10.000 Jahren ? ostasiatische Stämme über die Beringstraße auf den amerikanischen Kontinent gelangt sein, deren Morphologie in etwa der paläoamerikanischen entspricht. Von ihnen stammen die Südamerikaner ab, vermuten Neves und Hubbe. Später soll es zu einer zweiten Besiedlung gekommen sein, und zwar durch sibirische Stämme, die ebenfalls über die Beringstraße eingewandert sind. Sie gelten als Vorfahren der Ureinwohner Nordamerikas und auch Nordasiens.
Walter Neves & Mark Hubbe ( Universität in Sao Paulo): PNAS (Online-Vorabveröffentlichung; doi: 10.1073/pnas.0507185102) ddp/wissenschaft.de ? Martina Feichter