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Das Heiligste der Etrusker

Geschichte|Archäologie

Das Heiligste der Etrusker
Eine italienische Archäologin ist überzeugt, die sagenhafte Tempelanlage „Fanum Voltumnae” der Etrusker entdeckt zu haben. Unter argwöhnischen Blicken der Römer wurde hier regiert, gebetet und gefeiert.

Die Archäologen sind stumme Zeugen gewohnt. Doch unter all den Völkern und Kulturen, denen sie Geheimnisse zu entlocken versuchen, sind die Etrusker eines der schweigsamsten. Das mächtige Volk der Antike, das auf Augenhöhe mit Griechen und Römern stand und weite Teile Italiens beherrschte, hat seine Geschichte buchstäblich mit ins Grab genommen. Fast alles, was man von den Etruskern kennt – Wandmalereien, Schmuck, Statuen, Waffen und Alltagsgegenstände –, stammt aus den unterirdischen Kammern, in denen sie ihre Toten bestatteten. Ansonsten aber ist das etruskische Erbe samt Literatur, Häusern und Tempeln weitgehend verschwunden. Vor allem die neidischen Römer sorgten in der frühen Kaiserzeit für eine systematische Vernichtung der fremden kulturellen Errungenschaften.

Angesichts solch spärlicher Spuren klingt die Nachricht aus Orvieto – einer 20 000-Seelen-Stadt in der italienischen Region Umbrien – nach einem Jahrhundertfund. Archäologen der Universität Macerata glauben dort das „Fanum Voltumnae”, das zentrale Heiligtum der Etrusker, entdeckt zu haben.

Fanum bedeutet so viel wie „heiliger Bezirk”, Voltumna war ein etruskischer Gott. In lateinischen Inschriften und Texten wird das Heiligtum immer wieder erwähnt. Doch es scheint so populär gewesen zu sei, dass niemand es für nötig hielt, dessen Standort zu nennen. „Das ist, als würde man heute vom Vatikan sprechen. Da weiß auch jeder, dass der in Rom ist”, sagt Chef-Archäologin Simonetta Stopponi, Professorin für Etruskologie und italische Archäologie, die die Ausgrabungen in Orvieto leitet.

Über 600 Jahre lang haben Altertumsforscher nach dem sagenumwobenen Heiligtum gesucht. Es gab viele Spekulationen, aber nie eine heiße Spur. 1876 dann der erste Hinweis: Ein Ingenieur aus Orvieto machte sich am „Campo della Fiera” zu schaffen – einem am Fuß von Orvieto gelegenem Messegelände, auf dem damals noch Viehmärkte abgehalten wurden. Wahrscheinlich suchte er nach kostbaren Grabbeigaben. Was er fand – und kurzerhand an das Pergamonmuseum in Berlin verscherbelte –, waren Mauerreste aus Tuffstein und architektonischer Schmuck aus Terrakotta.

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Im Jahr 2000 startete Simonetta Stopponi den zweiten archäologischen Anlauf am Campo della Fiera – diesmal systematisch und natürlich mit offizieller Erlaubnis. Mit Hilfe von Studenten der Universitäten Macerata, Viterbo, Siena, Florenz und Arizona krempelte sie ein drei Hektar großes Areal um und schälte immer neue Strukturen aus dem Boden.

Das Herzstück der Ausgrabungen bildet ein U-förmiges, etwa 30 Meter langes Areal, das von einer Tuffsteinmauer begrenzt wird. Im Zentrum standen ein Tempel – zwölf Meter lang und sechs Meter breit – und zwei Brunnen. Verstreut wurden Scherben attischer Gefäße gefunden, die von Mischkrügen und Schalen stammen. Sie waren mit roten und schwarzen Figuren verziert – und einst ein Vermögen wert. Gerade gut genug, um den heiligen Bezirk zu schmücken und den Göttern als Weihgeschenke zu dienen.

An der Vorder- und Hinterseite des Tempels führten zwei Straßen ab. Die eine zog in Richtung Südwesten, an den 20 Kilometer entfernten Bolsena-See. Von dort ging es weiter nach Tarquinia und an die Tyhrrenische Küste. Die Straße war fünf Meter breit – zwei Karren konnten problemlos aneinander vorbeifahren – und wurde von Kanälen gesäumt, in denen sich Regenwasser und vielleicht auch Abflüsse aus dem Heiligtum sammelten.

Die zweite Straße – ein sieben Meter breiter Paradeweg an der Hinterseite des Tempels – verlief in Richtung Süden zu den umliegenden Hügeln und wurde wahrscheinlich für religiöse Prozessionen genutzt. Am Ende des Weges – weit ab vom derzeitigen Grabungsgebiet – haben die Archäologen zwei riesige Fundamente aus Tuffstein und einen Brunnen ausgemacht. Ein weiterer heiliger Bezirk, in dem gebetet und den Göttern geopfert wurde?

„Das Fanum Voltumnae war auf jeden Fall nicht nur eine bloße Gebetstätte. Es war auch so etwas wie das UN-Hauptquartier der Etrusker. Einmal jährlich, im Frühjahr, trafen sich dort die führenden Priester und Politiker des Landes”, sagt Simonetta Stopponi. Das verraten römische Schriftstücke.

Der Werdegang der Etrusker lässt sich nicht genau rekonstruieren. Sie könnten, wie der griechische Autor Herodot im 5. Jahrhundert vor Christus behauptete, aus Lydien, einem Gebiet im Westen der heutigen Türkei, ausgewandert sein, als dort eine Hungersnot ausbrach. Ebenso plausibel ist die Version des griechischen Historikers Dionysios von Halikarnassos aus dem 1. Jahrhundert vor Christus, der meinte, die Etrusker stammten aus Mittelitalien, wo sie ab dem 9. Jahrhundert vor Christus ihre Macht entfaltet hatten. Die Etrusker selbst nannten sich „Rasenna” , bei den Griechen hießen sie „Tyrrhenoi” und bei den Römern „ Tusci”. Ihr Siedlungsgebiet zog sich über den Fluss Arno im Norden bis zum Tiber im Süden, vom Apennin im Osten bis zum Tyrrhenischen Meer im Westen und umfasste die heutigen Regionen Toskana, Umbrien und Latium.

Die Etrusker bauten Kupfer, Blei, Silber und Eisen ab – das damals so wertvoll war wie Gold – und verkauften es bis nach Griechenland, den Orient und über die Alpen. Sie fuhren zur See, bestimmten den Handel im Mittelmeer und betrieben Landwirtschaft. Sie zogen Kaufleute, Handwerker und Künstler aus aller Herren Länder an. Sie gründeten Festungen und Städte auch außerhalb ihres Kernlandes – zum Beispiel in Kampanien und in der Emilia-Romagna – und betätigten sich als Entwicklungshelfer der Latiner. Unter etruskischer Herrschaft wuchs Rom im 6. Jahrhundert vor Christus vom kleinen Kaff zum urbanen Zentrum. Die Cloaca Maxima (ein ausgeklügeltes Abwassersystem), der Circus Maximus (der größte Schauplatz der Stadt) und der Jupitertempel auf dem Kapitol entstanden unter etruskischer Regie.

In Etrurien selbst bestimmten mächtige Stadtstaaten die Politik, in denen es eine herrschende Aristokratie, eine breite Mittelschicht, Handwerker, Bauern und Sklaven gab. Die Stadtstaaten agierten in der Regel selbstständig und unabhängig voneinander. Im 6. Jahrhundert vor Christus schlossen sich zwölf von ihnen – Arretium, Caere, Clusium, Cortona, Perusia, Rusellae, Tarquinii, Veii, Vetulonia, Volaterrae, Vulci und Volsinii (das heutige Orvieto) – zu einem losen Bund zusammen.

Ihr jährliches Gipfeltreffen, auf dem die gemeinsame Marschrichtung und die Ziele abgesteckt wurden, fand im Fanum Voltumnae statt. Die Entscheidungen, die dort getroffen wurden, waren schicksalsträchtig. Als die Römer gegen Ende des 5. Jahrhundert vor Christus ihre Fühler in etruskisches Gebiet ausstreckten und das 17 Kilometer von Rom entfernte Veii einzunehmen versuchten, baten die Gesandten der Stadt ihre Verbündeten um Beistand. Doch die lehnten ab. Es sei zwar jedem freigestellt, den Veientern zu helfen, berichtet der römische Historiker Titus Livius aus zweiter Hand, aber gemeinsam wolle man nicht gegen die Römer vorgehen. Vielmehr gelte es, die weit größere Gefahr durch die Kelten im Norden zu bannen – so lautete die offizielle Begründung. Wahrscheinlich aber war man einfach verärgert über den König von Veii, der 403 vor Christus im Fanum Voltumnae für einen Eklat gesorgt hatte, als er sich selbst kurzerhand zum Vorsitzenden ausrief und – nachdem er abgeblitzt war – die Versammlung demonstrativ verließ.

Statt mit Schützenhilfe versuchte Veii die Römer mit einer Stadtmauer fern zu halten. Doch die zeigten sich hartnäckig. Nachdem Frontalangriff und Belagerung fehlgeschlagen waren, gruben sie einen Tunnel in die Stadt und eroberten diese 396 vor Christus.

Beim jährlichen Treffen im Fanum Voltumnae klärten die Gesandten nicht nur politische Fragen, sondern buhlten vor allem um die Gunst der Götter. Anders als die Griechen und Römer glaubten die Etrusker daran, mit ihren Göttern verhandeln und deren Entscheidungen beeinflussen zu können. Das ging so weit, dass sie davon überzeugt waren – bei entsprechendem Verhandlungsgeschick und mit den richtigen Opfergaben – den Tod eines Menschen um bis zu zehn Jahre hinauszögern zu können.

Die Götter teilten den Menschen ihren Willen durch den Flug der Vögel, Blitz und Donner sowie tierische Eingeweide mit – so die Vorstellung. Die verschlüsselten Botschaften durfte nicht jeder deuten, sondern nur der oberste Priester, genannt Haruspex, der Leberbeschauer. Die Beschaffenheit der Leber von Opfertieren sollte die Zukunft hilfreich weisen.

Das Treffen der Politbonzen und religiösen Rädelsführer im Fanum Voltumnae wurde von einem riesigen Volksfest begleitet. Obwohl es mit den politischen Bindungen nicht immer zum Besten stand, wurde gemeinsam gefeiert und der Zusammenhalt auf diese Weise gestärkt. Es gab sportliche Wettkämpfe, Theateraufführungen und Märkte. Pilger und Gläubige tummelten sich neben Athleten, Musikanten, Tänzern, Gauklern und Händlern – manche von ihnen waren sogar eigens aus Rom gekommen. Dort zerriss man sich das Maul darüber, dass auch die etruskischen Frauen dem bunten Treiben beiwohnten. Bei den Römern hatten die Frauen – ebenso wie bei den Griechen – gefälligst im Haus zu bleiben.

Die Freizügigkeit der Etrusker schürte die Gerüchteküche und erregte die Fantasie. So schrieb der griechische Historiker Theopomp über die etruskischen Frauen und ihre vermeintlichen Eskapaden: „Sie sind übrigens sehr trinkfest und sehr schön anzuschauen. Die Etrusker ziehen alle Kinder groß, die zur Welt kommen, obwohl sie nicht wissen, von welchem Vater ein jedes stammt.”

Neben den Sitten mutete auch die Sprache der Etrusker fremdartig an. Heute weiß man: Sie ist mit keiner der weltweit bekannten Sprachen verwandt. Um die Zeitenwende starb das Etruskische aus. Obwohl es eine umfangreiche sakrale Literatur gegeben hat, in der die Lehre von den Blitzen und die Weissagungen anhand von Tiereingeweiden beschrieben waren, sind nur simple Grab- und Weihinschriften sowie schnöde Vertragspassagen erhalten geblieben. Alles in allem sind das zwar an die 10 000 Schriftzeugnisse, doch die Linguisten konnten daraus nur ein paar Hundert verschiedene Grundwörter herausfiltern. Kein Wunder: Das ist etwa so, als versuche man den deutschen Wortschatz anhand von Grabinschriften zu rekonstruieren.

Das Etruskische zu entziffern, bereitet indes weniger Probleme. Denn gegen Ende des 8. Jahrhunderts vor Christus übernahmen die Etrusker das Alphabet ihrer griechischen Nachbarn in Unteritalien, das hinlänglich bekannt ist.

Im 3. Jahrhundert vor Christus wurde der Niedergang der Etrusker, und damit auch des Fanum Voltumnae, eingeleitet. In Volsinii (dem heutigen Orvieto) kam es 264 vor Christus zum Aufstand. Die Sklaven der Stadt drohten die Aristokraten zu entmachten. Erschrocken riefen diese die Römer zu Hilfe. Die ließen sich nicht zweimal bitten, schlugen den Aufstand nieder und machten sich bei dieser Gelegenheit gleich die ganze Stadt untertan. Mit Sack und Pack wurden die Bewohner von ihrem wehrhaften Felsen, auf dem Volsinii lag, an den leichter kontrollierbaren Bolsena-See umgesiedelt.

Zur selben Zeit als die Römer Volsinii einnahmen, errichteten sie zu Hause auf dem Aventin einen neuen Tempel, der Vertumnus, dem Gott des Wandels und der Veränderung, geweiht war. Vertumnus ist die lateinische Bezeichnung für Voltumna, nach dem das Fanum Voltumnae benannt ist. Ein wichtiger Hinweis darauf, dass das sagenumwobene Heiligtum tatsächlich in der Nähe von Orvieto lag.

Die Archäologen aus Macerata sind bei ihren Ausgrabungen nicht nur auf etruskische, sondern auch auf römische Spuren gestoßen. Das bedeutet, dass das Heiligtum nicht etwa zerstört, sondern von den neuen Herren übernommen und weiterhin genutzt wurde. Kaiser Augustus ließ das Areal sogar eigens aufputzen, um zu zeigen, wie sehr er die Tradition der Etrusker respektierte. Die hatten sich zu dieser Zeit schon längst dem Eroberungswillen der Römer gebeugt. Nach und nach waren ihre Städte gefallen, und 89 vor Christus waren sie zu römischen Bürgern geworden.

Die Etrusker selbst nahmen ihr Ende wahrscheinlich gelassen. Schließlich waren sie überzeugt, dass jede Kultur – ähnlich wie ein Mensch – geboren wird, wächst und irgendwann stirbt. Einer alten Überlieferung zufolge sollte das Leben ihres Volkes acht Saecula lang dauern. Ein Saeculum umfasste nicht exakt 100 Jahre, sondern reichte vom Ende des vorausgehenden Saeculums bis zum Zeitpunkt, an dem der letzte derer gestorben war, die zu Beginn des Saeculums gelebt hatten. Die Etrusker beherrschten Mittelitalien von etwa 900 bis 100 vor Christus – präziser hätte die Vorhersage kaum sein können.

Die Ausgrabungen im Heiligtum von Orvieto haben vor sechs Jahren begonnen – und sind noch am Anfang. „Wir werden mindestens noch 20 Jahre hier arbeiten”, ist Chef-Archäologin Stopponi überzeugt. Die bereits freigelegten Areale, die klecksartig nebeneinander liegen, sollen zu einer Einheit verbunden, und das gesamte Untersuchungsgebiet soll bis zu den umliegenden Hügeln ausgedehnt werden. Im Norden – dort, wo sich eine lang gestreckte schmale Ebene hinzieht –, wähnt Stopponi ein Stadion für Sportspiele. Untersuchungen werden zeigen, ob sie richtig liegt.

Dabei wird die Arbeit der Archäologen von allerlei Unwegsamkeiten erschwert. Bereits zwei Meter unter der Erde schoss ihnen Wasser entgegen, und die meiste Zeit des Jahres ist das gesamte Gebiet überschwemmt. Die finanziellen Mittel für die Ausgrabung sind zudem knapp und könnten jederzeit versiegen. Der Staat und die Universität sind praktisch pleite, das Unternehmen wird deshalb privat – von der Banca Monte dei Paschi di Siena – finanziert.

Neben Geldsegen wünschen sich die Archäologen aber vor allem eins: eine Inschrift mit dem Namen des Gottes Voltumna. „Dann hätten wir die absolute Sicherheit, dass es sich bei dem Heiligtum tatsächlich um das Fanum Voltumnae handelt. Bis jetzt haben wir nur Indizien”, sagt Stopponi mit der gebührenden wissenschaftlichen Skepsis. Aber vielleicht werden die ja eines Tages zu handfesten Beweisen. ■

Bettina Gartner, ehemalige Redakteurin bei bild der wissenschaft, wird den Etruskern weiter auf der Spur bleiben.

Bettina Gartner

Ohne Titel

Es sind nicht gerade Meisterwerke, die im „Grab der brüllenden Löwen” an die Wand gemalt wurden. Die Vögel in der oberen Reihe staksen steif durchs Bild, und die Löwen im unteren Abschnitt sehen aus wie ungelenke Kinderzeichnungen. Und doch sind diese Bilder etwas Außergewöhnliches. Es sind etruskische Werke aus den ersten Jahrzehnten des 7. Jahrhunderts vor Christus, die als die ältesten bekannten Grabmalereien im westlichen Mittelmeerraum gelten.

Ende Mai 2006 war der antike Anstrich ans Tageslicht gekommen, in einem Weizenfeld bei Veii nahe Rom. Dutzende Gräber liegen dort im Boden – zu viele für die amtlichen Archäologen, denen Geld und Zeit fehlen, um alle zu sichten. Dafür waren Grabräuber – die „Tombaroli” – umso flinker und findiger. Einer von ihnen, der wegen Schwarzmarkthandel vor Gericht stand und als reuiger Polizei-Informant auf eine mildere Strafe hoffte, führte die Beamten der „Soprintendenza per i Beni Archeologici dell’ Etruria Meridionale” zum „Grab der brüllenden Löwen” mit den geschichtsträchtigen Malereien.

Um ihre Gräber anzulegen, gruben die Etrusker einen Kreis ins Erdreich und höhlten von dort aus Gänge und Kammern in Maulwurf-Manier aus. Der anfallende Schutt wurde zu einem Hügel aufgeworfen. Im Grundriss ähnelten die Gräber den Wohnhäusern der Etrusker. Ein schlauchförmiger Gang führte vom Grabeingang zu den Grabkammern und wies den Seelen der Verstorbenen den Weg nach Nordwesten, wo man den Sitz der Unterweltgötter vermutete.

Der Kosmos hatte in der Vorstellung der Etrusker die Form eines Kreises, der in vier Sektoren geteilt war. Jeder Sektor war nochmals in vier Teile gegliedert – 16 Felder insgesamt. Sie wurden von unterschiedlichen Gottheiten bewohnt. Im Nordosten residierten die Ranghöchsten: Tinia, Uni und Menerva. Im Süden lebten die Götter der Natur und der Erde, im Nordwesten jene des Schicksals und der Unterwelt.

Das Grab der brüllenden Löwen besteht aus einer etwa zwölf Quadratmeter großen Kammer. Es gehörte wahrscheinlich einem Fürstenpaar. Zwar sind die Leichen längst geplündert, doch die wenigen Grabbeigaben, die geblieben sind, zeugen von Ruhm und Reichtum. Darunter sind die Reste eines Wagens, auf dem die Toten zu ihrer letzten Ruhestätte kutschiert wurden, Vasen aus Griechenland, Bronzefibeln, die mit Elfenbein und Knochen verziert waren, eine Wollspindel sowie Metallspieße, auf denen Fleisch gebraten wurde. Vor allem aber hatten sich die Etrusker um die Verzierung der Wände bemüht. Figuren auf Vasen zu malen, das beherrschte man im 7. Jahrhundert bereits perfekt. Doch auf einer großen glatten Steinwand zu arbeiten – das war noch ungewohnt und bedurfte Übung.

„Der Maler hat die Umrisse mit einem spitzen Gegenstand in den weichen Tuffstein geritzt und sie dann mit roter, schwarzer und gelber Naturfarbe ausgemalt”, erklärt der Archäologe Alessandro Naso von der Universität Molise, der als Sachverständiger des römischen Gerichts das Grab begutachtet hat. „Wahrscheinlich wurde als Grundierung ein Gemisch aus Ton, Wasser und Mineralien aufgetragen, um die Bilder zu fixieren. Diese Technik ist aus späteren Gräbern bekannt und hat sich bewährt.”

Die Vögel sollten wahrscheinlich Zugvögel darstellen und den Übergang vom Diesseits ins Jenseits symbolisieren. In der Vorstellung der Etrusker ritten die Verstorbenen auf einem Mischwesen aus Fisch und Pferd in die Unterwelt. Rechts und links des Weges lauerten furchteinflößende Wesen – die brüllenden Löwen dürften ein Vorgeschmack gewesen sein.

Im Jenseits angekommen, war die Welt wieder in Ordnung: Die Toten wurden von ihren Ahnen empfangen und zum üppigen Festmahl geladen – ganz so wie zu Lebzeiten.

Ohne Titel

· Auf einem drei Hektar großen Gebiet in Umbrien kamen etruskische Tempelreste, zwei Brunnen und zahlreiche Scherben ans Licht.

· Das Heiligtum war vermutlich auch eine Art Hauptquartier, in dem jährlich ein politisches Gipfeltreffen stattfand.

· Und es wurden dort Feste gefeiert, bei denen Frauen mit dabei waren.

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