Der mit insgesamt 50 Millionen Mark dotierte Wolfgang-Paul-Preis, den sich Fellbaum mit 13 anderen Wissenschaftlern teilt, ermöglicht ihr nun sechs Monate im Jahr in Deutschland zu forschen. Mit bis zu 4,5 Millionen Mark pro Preisträger ist der Wolfgang-Paul-Preis nach Angaben der Alexander von Humboldt-Stiftung die höchst dotierte Auszeichnung der deutschen Wissenschaftsgeschichte.
Ihr Preisgeld will Fellbaum in ein dreijähriges Projekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stecken, das “Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts”. Dieses elektronische Lexikon aus mehr als 500 Millionen Wörtern soll später einmal als Datenbank zugänglich sein. Seine Grundlage ist die deutsche Sprache der vergangenen hundert Jahre – ein repräsentativer Querschnitt, zusammengestellt aus Literatur, Zeitungsdeutsch, Fachbuchsprache, Werbetexten und niedergeschriebener Umgangssprache.
Wo ein Wörterbuch heute nur ein Wort mit Synonymen oder wenigen Verwendungsmöglichkeiten präsentiert, spannt die Forscherin ein riesiges Netz von Wortverbindungen. Bei Christiane Fellbaums Systematik heißt es beispielsweise nicht nur “verlieren”, sondern auch noch “den Faden” oder “die Geduld” verlieren – samt allen möglichen weiteren Kombinationen, die der Computer wie eine Suchmaschine in seinem gespeicherten Texten findet.
Später wird die Professorin mit Hilfe des Digitalen Wörterbuchs darüber referieren können, ob das Englische die deutsche Sprache wirklich so überlagert hat, wie Sprach-Puristen heute befürchten. Das elektronische Wörterbuch wird Ausländern ein Leitfaden beim Deutschlernen sein, Rettungsanker zwischen den Fallstricken deutscher Redewendungen. Und Christiane Fellbaum wird vielleicht auch wissen, wie typische Wortverbindungen der DDR-Sprache seit 1989 Eingang in das “Westdeutsche” gefunden haben. “Mach dir mal keinen Kopf” soll eine Ost-Schöpfung sein, die sofort auf Gegenliebe stieß.
Die 50-Jährige Professorin liebt Vergleiche, um ihre Faszination von Sprache zu beschreiben. Schon als Zehnjährige, erinnert sich die Wissenschaftlerin, habe sie spielerisch nach Lautverschiebungen zwischen deutschen und englischen Worten gesucht. In den USA und in Frankreich studierte sie später Sprachwissenschaften, lernte nebenbei noch Russisch und Japanisch. Heute hat Fellbaum, gebürtige Braunschweigerin, eine Lebensstellung an der Princeton University in New Jersey. Mit Hilfe von Computern entwickelt sie völlig neue Verfahren, um den Wortschatz einer Sprache zu erschließen. Was sie treibt ist Neugier, Offenheit und die unerschöpfliche Begeisterung für ihr Fachgebiet.