Die Erfindung des Pferdesattels war eine wichtige Voraussetzung für ausdauerndes Reiten und die berittene Kriegsführung. Jetzt haben Archäologen nahe der Stadt Turfan in der chinesischen Region Xinjiang den bisher ältesten sicher datierten Pferdesattel entdeckt – er ist zwischen 2400 und 2700 Jahre alt. Anders als einfache, auf den Pferderücken geschnallte Decken war dieser Sattel aus mehreren Lederschichten gefertigt und an den Seiten ausgepolstert. Er fand sich in einem Frauengrab der nomadischen Subeixi-Kultur.
Die Domestikation des Pferdes und seine Nutzung als Transport- und Reittier war ein entscheidender Schritt in der kulturellen Entwicklung vor allem der Steppenbewohner Zentralasiens. Denn hoch zu Ross konnten sie große Strecken weit schneller zurücklegen als zuvor. Archäologische Funde und anatomische Veränderungen an Gebeinen von Toten legen nahe, dass die Jamnaja und andere Steppenkulturen schon vor 4500 bis 5000 Jahren regelmäßig beritten unterwegs waren – damals allerdings noch ohne Sattel. Auch frühe Darstellungen von Reitern in Mesopotamien und Ägypten zeigen diese meist ohne Sattel oder nur mit einer auf den Pferderücken geschnallten Decke.
Moderne Pferdesättel sind dagegen speziell abgepolstert und so geformt, dass sie Pferd und Reiter einen größtmöglichen Komfort geben. Sie machten das Reiten schonender für beide Beteiligten und gaben Reitern auch bei Kämpfen zu Pferde besseren Halt. Doch wann die ersten aus Leder gefertigten und speziell an den Pferderücken angepassten Sättel aufkamen, ist bisher unklar, denn Leder bleibt nur selten über Jahrtausende erhalten. Als bisher älteste Zeugnisse echter Sättel gelten Funde aus Gräbern der skytischen Pazyryk-Kultur, im Altai und dem östlichen Kasachstan, die aus dem späten 4. bis mittleren 3. Jahrhundert vor Christus stammen.
Seitliche Polster und zentrale Aussparung
Jetzt berichten Patrick Wertmann von der Universität Zürich und seine Kollegen von zwei Sattelfunden, die noch älter sind als die skytischen Exemplare. Einer dieser Pferdesättel wurde in Yanghai, rund 43 Kilometer südöstlich der Stadt Turfan, in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang entdeckt. Dort hatten Archäologen schon vor einigen Jahren mehrere Gräber der im ersten Jahrtausend vor Christus verbreiteten nomadischen Subeixi-Kultur entdeckt. In einem dieser Gräber fanden die Forscher die Überreste einer Frau, die in einem Ledermantel, Wollhosen und kurzen Lederstiefeln bestattet worden war. “Unter ihrem Gesäß war ein lederner Pferdesattel so platziert worden, als wenn sie darauf saß”, wie das Team berichtet.
Analysen enthüllten, dass dieser Pferdesattel aus der Zeit zwischen 700 und 400 vor Christus stammt und bereits einige Merkmale eines modernen Sattels aufwies: Er besteht aus zwei dicken Rindslederschichten, die so geformt und aufeinander genäht wurden, dass zwei Kammern entstehen. Diese beiderseits der Sattelmitte liegenden Kammern waren mit einer Mischung aus Kamel- und Hirschhaar sowie Stroh ausgepolstert. Die Mitte hingegen blieb unausgepolstert und bildete eine von hinten nach vorne durchgehenden Vertiefung. “Wenn der Sattel auf dem Pferderücken platziert wird, liegt diese Aussparung direkt auf der Wirbelsäule des Pferdes”, erklären Wertmann und seine Kollegen. Die Polster kombiniert mit diesem freien Kanal milderten beim Reiten den Druck auf das Rückgrat des Tieres.
Ein Sattel der Elite, einer aus dem Alltag
Einen weiteren Pferdesattel entdeckten Archäologen an der Fundstelle Subeixi, ebenfalls im Turfan-Becken von Xinjiang. Er lag zusammen mit Zaumzeug und einer Reitgerte im Grab eines Mannes, der ähnlich gekleidet war wie die Frau aus Yanghai. Auch er gehörte der Subeixi-Kultur an und wurde wahrscheinlich zwischen dem 5. und 3. Jh. vor Christus bestattet. Auch sein Ledersattel besaß zwei gepolsterte Kammern, deren Inhalt aber durch Zwischennähte in Position gehalten wurde. An der Unterseite des Ledersattels war ein Fell platziert, das als Sattelauflage diente. Insgesamt war der Sattel aus Subeixi etwas größer und kunstvoller gearbeitet. Wertmann und seine Kollegen gehen davon aus, dass dieser Pferdesattel einem Angehörigen der Elite gehörte, während der Sattel aus Yanghai eher einen Alltagssattel dieser Kultur darstellte.
“Angesichts ihres praktischen und gut durchdachten Designs und der handwerklich guten Ausführung, vor allem bei den Leder- und Nadelarbeiten, wurden beide Sättel von geschickten Handwerkern gefertigt, die über Erfahrung mit Lederarbeiten, Pferdehaltung und dem Reiten verfügten”, konstatieren die Archäologen. Das Alter vor allem des Sattels aus Yanghai spricht dafür, dass diese Fundstücke älter sind als die bislang frühesten bekannten Pferdesättel der Skythen. Gebrauchsspuren an beiden Sätteln und geflickte Stellen legen nahe, dass diese Sättel lange und intensiv genutzt wurden.
Quelle: Archaeological Research in Asia, doi: 10.1016/j.ara.2023.100451