Ein völlig anderes Bild bietet sich nur wenige hundert Meter abseits der Hauptstraße, in den israelischen Siedlungen. Dort wohnen Menschen in Bungalows mit Swimmingpools und üppigen Gärten. Viele haben Sprenganlagen für den grünen Rasen und die Zitrusbäume: Wasser in Hülle und Fülle.
Ernst Döring arbeitet hart daran, die Schere zwischen diesen beiden Welten im Westjordanland zu schließen. Seit fünf Jahren kämpft er um eine funktionierende Wasserversorgung für die palästinensischen Ortschaften. Im Auftrag der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), einer deutschen Entwicklungshilfeorganisation, betreut er Projekte in Ramallah, Nablus und Hebron. Unter Dörings Leitung wurden in den drei Städten neue Brunnen gebohrt und Konzepte für den Aufbau von eigenständigen Wasserbetrieben entwickelt.
“Als wir hier anfingen, war die Situation dramatisch”, erinnert sich der gelernte Ingenieur. “Nablus saß praktisch auf dem Trockenen. Der erste Brunnen, den wir dort bauten, bedeutete einen Riesendurchbruch.” In den drei Jahrzehnten Besatzung hatten die Israelis die Wasserversorgung der Palästinenser verkommen lassen, berichtet Döring.
Beim Leitungsnetz des Westjordanlandes gab es ein Zweiklassensystem: Zunächst wurden die israelischen Siedler bedient. Bei jedem von ihnen fließen bis heute im Durchschnitt 250 bis 300 Liter pro Tag aus dem Wasserhahn. Die Palästinenser mußten sich mit dem begnügen, was übrig blieb: Ihr täglicher Pro-Kopf-Verbrauch lag 1993 bei 30 bis 60 Litern. 40 Liter gelten nach Ansicht von UNO- und Weltbank-Experten als minimaler Bedarf.
Wasser ist seit jeher ein äußerst knappes Gut in der Region – und ein hart umkämpftes. Israel eroberte 1967 die syrischen Golanhöhen auch deshalb, weil einer der Oberläufe des Flusses Jordan dort entspringt. Das Westjordanland wurde unter anderem besetzt, um sich die Kontrolle über reiche Grundwasservorkommen zu sichern. Inzwischen streiten sich die Konfliktparteien Syrien, Israel und Jordanien am Verhandlungstisch, aber niemand weiß, ob die Lage irgendwann wieder eskaliert.
Ein Blick nach Israel zeigt, was Forschung leisten kann. Der kleine Staat gehört zu den Weltmeistern in innovativer Wassertechnologie. Avner Adin, Wasserexperte an der Hebrew University of Jerusalem, nennt die drei technischen Hauptmethoden, mit denen Israel seine verfügbare Wassermenge steigert:
- Wasserentsalzung
- künstlicher Regen
- Wiederverwendung von Abwasser
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Ob die Entsalzung von Meerwasser oder salzigem Grundwasser eine vernünftige Lösung für die Welt ist, darüber sind sich die Experten uneins. “Solche Verfahren sind zu teuer und wegen großen Energieverbrauchs ökologisch bedenklich”, sagt Roland Schertenleib von der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG) in Dübendorf bei Zürich. Er fügt an: “Mit Entsalzungsanlagen kann bestenfalls der Trinkwasserbedarf gedeckt werden.”
Sehr viel mehr Wasser bräuchte man aber für die Landwirtschaft. Bislang können sich nur wohlhabende Staaten den Betrieb der energiefressenden Entsalzungsanlagen leisten – einen Kubikmeter Wasser zu entsalzen, kostet rund 1,25 Mark. Spitzenreiter der Entsalzungsliga ist Saudi-Arabien. Ein Liter Erdöl läßt sich im günstigsten Fall in 1000 Liter Trinkwasser ummünzen. Sehr viel kleiner ist der Beitrag von künstlichem Regen. Aber in manchen Ländern leistet das Verfahren durchaus seinen Part zur Versorgung, so in den USA, Australien und Israel. Daniel Rosenfeld von der Hebrew University of Jerusalem schätzt, daß künstlich erzeugte Regenfälle vier Prozent des israelischen Wasserbedarfs decken. Letzterer liegt bei rund 1,5 Milliarden Kubikmetern pro Jahr. Die Effizienz der Methode ist allerdings schwer nachweisbar.
Der wichtigste Ansatzpunkt jedoch, um die drohenden Konflikte um die knappe Ressource abzuwenden, ist in den Augen vieler Experten eine scheinbare Banalität: sparsamere Nutzung des vorhandenen Wassers. “Es geht vor allem um den Einsatz effizienterer Bewässerungsmethoden und die Wiederverwendung von Abwasser”, urteilt der EAWAG-Forscher Roland Schertenleib. In Staaten wie den USA und Israel ist die Mehrfachnutzung der kostbaren Ressource bereits vielerorts gängige Praxis: Das Abwasser aus den Haushalten wird in Kläranlagen vorgereinigt und kann dann in der Landwirtschaft oder auch in der Industrie eingesetzt werden.
Aber: Politische Grundsatzdebatten blockieren häufig neue Vorhaben. So verzögert sich beispielsweise der Baubeginn für eine Kläranlage in Ost-Jerusalem. Bislang versickert das Abwasser dort ungereinigt im Boden. Deutschland hat Entwicklungshilfe für das Projekt in Aussicht gestellt, und sowohl Israelis als auch Palästinenser wollen die Anlage. Der einzige Haken: Israel verlangt, daß auch das Abwasser der umliegenden jüdischen Siedlungen in der neuen Anlage geklärt wird. Das käme einer Anerkennung dieser umstrittenen Siedler-Enklaven im Westjordanland gleich, kritisieren die Palästinenser. Damit wollen sie sich nicht abfinden. So liegt das Projekt seit Monaten auf Eis. Während die Politiker sich einen zermürbenden diplomatischen Kleinkrieg liefern, sind israelische und palästinensische Wissenschaftler und Techniker schon einen Schritt weiter. “Auf der informellen Ebene klappt die Zusammenarbeit sehr gut”, freut sich Ernst Döring. “Zwischen diesen Menschen gibt es bereits viele Freundschaften.”
Frank Fleschner