Wissenschaftler haben im Nahen Osten einen Kornspeicher entdeckt, den sie auf ein Alter von 11.300 Jahren schätzen: Bei Ausgrabungen in Dhra, einer archäologischen Stätte im heutigen Jordanien, ist ein Forscherduo auf Überreste von drei alten Gebäuden gestoßen, von denen eines wahrscheinlich der Lagerung von Nahrungsmitteln diente. Die Funde stammen aus einer Zeit, in der die Menschen noch keine Pflanzen domestiziert hatten, und könnten damit einen entscheidenden Übergang von Jäger-Sammler-Gemeinschaften zur Ackerbaukultur markieren. Ian Kujit von der Universität Notre Dame und sein Kollege Bill Finlayson vom Rat für britische Forschung in der Levante berichten über die Funde.
Die Forscher fanden drei verschiedene Gebäudestrukturen, von denen zwei vermutlich dem Verarbeiten von Nahrungsmitteln und als Wohnstätte dienten. Aus der Struktur des dritten Bauwerks schlossen die Forscher, dass es vermutlich als Kornspeicher genutzt wurde: Die Mauern waren kreisförmig angeordnet, bestanden aus Lehm und Stein und umschlossen einen Durchmesser von rund drei Metern. Im Inneren befanden sich Stützböden, die der Luftzirkulation und dem Schutz vor Ratten und Mäusen gedient haben könnten. Sie bestanden aus Balken, die auf Steinen aufgereiht waren. Bei Untersuchungen einiger Fundstücke unter dem Mikroskop konnten die Forscher auch zahlreiche Spuren von Stroh und Spelzen finden, deren Größe auf wilde Gerste hindeutet. Anhand von Radiokarbondatierungen schätzen die Wissenschaftler den Getreidespeicher auf ein Alter von 11.175 bis 11.300 Jahren.
Da es zu dieser Zeit noch keine domestizierten Pflanzen gab, könnte eine effiziente Nahrungsmittellagerung die Kultivierung von wildem Getreide vorangetrieben haben, spekulieren Kuijt und Finlayson. Denn dank der Lagerung konnten die Samen in der kommenden Saison gezielt ausgewählt und ausgesät werden. Durch die vorliegenden Ergebnisse würde die Erscheinung der ersten domestizierten Getreidepflanzen und damit auch das Sesshaft-Werden der Menschen um rund 1.000 Jahre zurückdatiert. Der Kornspeicher repräsentiere einen entscheidenden Schritt in der Menschheitsgeschichte, weil er aus der Übergangsphase von Jäger-Sammler-Gemeinschaften zu größeren Ackerbaukulturen stammt, schließen die Forscher aus ihren Ergebnissen.
Ian Kujit (Universität von Notre Dame) und Bill Finlayson (Rat für britische Forschung in der Levante) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1073/pnas.0812764106 ddp/wissenschaft.de ? Stefanie Strauch