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Zweiter Urzeit-Menschenaffe im Allgäu entdeckt

Erde|Umwelt

Zweiter Urzeit-Menschenaffe im Allgäu entdeckt
Böhme mit Zähnen
Paläontologin Madelaine Böhme mit Reproduktionen der fossilen Backenzähne von Danuvius und der neuentdeckten Menschenaffenart Buronius. © Berthold Steinhilber / Universität Tübingen

Im Jahr 2019 hatten Paläontologen im Ostallgäu das spektakuläre Fossil des rund zwölf Millionen Jahre alten Menschenaffen Danuvius guggenmosi entdeckt – jetzt gibt es einen weiteren Fund. Denn am selben Fundort nahe Kaufbeuren hat das Team die Relikte einer weiteren urzeitlichen Menschenaffenart identifiziert. Zwei fossile Zähne und eine Kniescheibe der Buronius manfredschmidi getauften Spezies deuten darauf hin, dass dieser Menschenaffe deutlich kleiner war als sein Zeitgenosse und sich eher auf Bäumen aufhielt. Buronius ernährte sich zudem von weicherer Kost als der größere Danuvius. Es ist das erste Mal, dass in Europa zwei verschiedene Hominidenarten aus dieser Zeit am selben Fundort entdeckt wurden, wie die Forschenden berichten.

Afrika gilt als Wiege des Menschen und seiner Vorfahren – einschließlich der Menschenaffen. Deswegen war lange unklar, ob und wann frühe Vertreter der Hominiden nach Europa vordrangen. Doch in den letzten Jahren haben Paläontologen gleich mehrere Belege dafür entdeckt, dass Frühmenschen der Gattung Homo nicht die ersten Einwanderer nach Europa waren: Schon vor 17 Millionen Jahren gab es urzeitliche Menschenaffen im Gebiet des heutigen Schwaben, wie der Fund eines fossilen Zahns im schwäbischen Alpenvorland belegte. In Griechenland und Bulgarien wurden sieben Millionen Jahre alte Relikte gefunden, die ebenfalls von Hominiden stammen – der Verwandtschaftsgruppe, zu der heute der Mensch und die Menschenaffen gehören. Die wohl spektakulärste Entdeckung war dann im Jahr 2019 der rund 11,6 Millionen Jahre Menschenaffe Danuvius guggenmosi, genannt „Udo“. Ein Team um Madelaine Böhme von der Universität Tübingen hatte zahlreiche Fossilien dieses bereits an den aufrechten Gang angepassten Menschenaffen am Fundort “Hammerschmiede” nahe Kaufbeuren im Ostallgäu entdeckt.

Zähne von Buronius und Danuvius
3D-Druck-Reproduktion der Backenzähne von Buronius manfredschmidi (links) und Danuvius guggenmosi: Der dünne Zahnschmelz von Buronius deutet auf einen Frucht- und Blattfresser hin. Der dickere Schmelz von Danuvius ist typisch für einen Allesfresser. © Berthold Steinhilber / Universität Tübingen

Ein zweiter, kleinerer Urzeit-Menschenaffe

Jetzt berichtet das Team um Böhme von einem weiteren Fund. Es handelt sich um zwei fossile Zähne und eine Kniescheibe, die schon vor einigen Jahren ganz in der Nähe der Danuvius-Relikte gefunden wurden. Auch diese Fossilien waren im versteinerten Sediment des urzeitlichen Baches konserviert, der in der Tongrube Hammerschmiede einst durch eine sumpfige Landschaft strömte. Doch erste Untersuchungen legten nahe, dass diese drei Fundstücke nicht von Danuvius stammen, denn Zähne und Kniescheibe waren deutlich kleiner und zeigten auffällige anatomische Besonderheiten. Genauere Vergleichsanalysen haben dies nun bestätigt: Die drei Fundstücke stammen von einer zweiten Menschenaffenart, die sich deutlich von Danuvius unterschied, wie die Paläontologen erklären. “Die Morphologie und Größe dieser Funde aus derselben Fundschicht der Hammerschmiede wie Danuvius erfordern die Einstufung in eine neue Gattung”, schreiben sie. Der Fund zweier Hominidengattungen in der Hammerschmiede sei einzigartig unter den Fossilfundstätten des europäischen Miozäns.

Als Name für den neu entdeckten Menschenaffen wählten Böhme und ihr Team Buronius manfredschmidi. Buronius leitet sich vom mittelalterlichen Namen der Stadt Kaufbeuren – Buron – ab. Der Artname ehrt den Hobbyarchäologen Manfred Schmid, der zahlreiche Fossilfunde in der Hammerschmiede-Tongrube gemacht hatte. Die Zähne und Kniescheibe von Buronius verraten, dass dieser Urzeit-Menschenaffe wahrscheinlich kaum mehr als rund zehn Kilogramm wog. Er war damit deutlich kleiner als alle heute lebenden Menschenaffen, bei denen die Spanne von rund 30 Kilogramm beim Bonobo bis zu mehr als 200 Kilogramm beim Gorilla reicht. Die neu entdeckte Art war auch kleiner als der im selben Gebiet lebende Danuvius, der rund 15 bis 46 Kilogramm wog. Den Paläontologen zufolge entsprachen Gewicht und Größe von Buronius am ehesten dem der Siamangs, kleineren Verwandten der Gibbons aus Südostasien.

Unterschiedliche Ernährung und Lebensweise

Die Fossilien von Buronius liefern auch erste Hinweise auf seine Lebensweise – und auch diese unterschied sich von der seines größeren Zeitgenossen Danuvius. So könnte sich Buronius – anders als der an den aufrechten Gang angepasste Danuvius – vorwiegend auf Bäumen aufgehalten haben. “Die Kniescheibe von Buronius ist dicker und asymmetrischer als bei Danuvius”, erklärt Böhme. Dies könne mit Unterschieden in der Oberschenkelmuskulatur erklärt werden, die auf eine Anpassung an das Klettern hindeuten. Die Zähne von Buronius deuten auf einen weiteren Unterschied hin: „Die Zahnschmelzdicke bei Buronius ist so gering wie bei keinem anderen Menschenaffen Europas und vergleichbar mit Gorillas”, berichtet Böhme. “Der Zahnschmelz von Danuvius hingegen ist dicker als der aller verwandten ausgestorbenen Arten und erreicht fast die Stärke menschlichen Zahnschmelzes.” Diese Merkmale liefern Hinweise darauf, was die Primaten einst fraßen. Denn ein dünner Zahnschmelz deutet auf fruchtreiche, vegetarische Ernährung hin, eine dickere Zahnschmelzschicht wie bei uns Menschen, ist hingegen für Allesfresser typische, die auch härtere, zähe Nahrung kauen.

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Zusammengenommen könnten diese Unterschiede erklären, warum die beiden zeitgleich lebenden Menschenaffenarten im selben Gebiet vorkommen konnten: Buronius und Danuvius besetzten offenbar unterschiedliche ökologische Nischen. Der kleinere Buronius hielt sich wahrscheinlich eher in Baumkronen und Ästen auf und ernährte sich vorwiegend von Früchten und Blättern. Der mehr als doppelt so große, zum aufrechten Gang befähigte Danuvius hingegen durchstreifte vermutlich ein größeres Gebiet und konnte so vielfältigere Nahrungsressourcen nutzen. Dies sei mit der heutigen Syntropie von Gibbon und Orang-Utan auf Borneo und Sumatra vergleichbar, erklärt das Forschungsteam: Während Orang-Utans auf Futtersuche umherstreifen, halten sich die kleinen fruchtfressenden Gibbons in Baumwipfeln auf. Die Fossilfunde aus der Hammerschmiede belegen nun erstmals eine solche Syntropie für urzeitliche Menschenaffen in Europa.

Quelle: Madelaine Böhme (Eberhard Karls Universität Tübingen) et al., PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0301002

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