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Zweite Chance für das Sumatra-Nashorn

Artensterben

Zweite Chance für das Sumatra-Nashorn
Nashorn
Sumatra-Nashorn Kertam in Malaysia. © Ben Jastram/ Leibniz-IZW

Der letzte männliche Nashornbulle Malaysias starb im Jahr 2019 – seitdem gilt das Sumatra-Nashorn dort als ausgestorben. Nun ist es einem Forschungsteam gelungen, aus seinen Hautzellen wertvolle Stammzellen zu gewinnen und daraus „Mini-Hirne“ zu züchten. Das nächste Ziel ist dann die Herstellung von Eizellen und Spermien aus den Stammzellen, um die bedrohte Art vor dem Aussterben zu bewahren.

Einst war das Sumatra-Nashorn (Dicerorhinus sumatrensis) in Teilen Ost- und Südostasiens weit verbreitet, doch heute leben nur noch weniger als 80 Exemplare dieser kleinsten und ursprünglichsten Nashornart auf der Welt. Zunehmende Wilderei und die Zerstörung ihres Habitats in den Regenwäldern Sumatras und Borneos führten dazu, dass die Population der Nashörner auf eine kleine Zahl zusammenschrumpfte. In Malaysia gilt das Sumatra-Nashorn seit dem Tod des Bullen Kertam und der Kuh Iman im Jahr 2019 sogar als ausgestorben.

Durch Stammzellen zurück ins Leben

Doch es gibt noch Hoffnung für die Nachkommen von Kertam und Iman, denn ein Forschungsteam um die Wissenschaftlerin Vera Zywitza vom Max-Delbrück-Center für Molekulare Medizin in Berlin arbeitet bereits fleißig für eine Zukunft der Sumatra-Nashörner: Sie haben sich zum Ziel gesetzt, Hautzellen verstorbener Nashörner in Stammzellen zu verwandeln und aus diesen wiederum Ei- und Samenzellen zu züchten, die sich für die Befruchtung im Labor eignen. Tierische Leihmütter sollen die in der Petrischale entstehenden Nashorn-Embryonen dann austragen – als Nachkommen von Kertam und anderer schon verstorbener Tiere. Bei Mäusen ist die Züchtung von lebensfähigen und fruchtbaren Nachkommen aus solchen induzierten Stammzellen bereits gelungen, was Zywitza und ihre Kollegen optimistisch für einen Erfolg der Methode bei Nashörnern und anderen gefährdeten Spezies stimmt.

Für die Gewinnung von Stammzellen nutzen sie Methoden, die im Rahmen des Forschungsprojekts „BioRescue“ für das noch stärker bedrohte Nördliche Breitmaulnashorn entwickelt wurden. „Unsere aktuelle Studie hat viel von den Erkenntnissen profitiert, die durch dieses vom Bundesforschungsministerium geförderte Großprojekt gewonnen wurden“, sagt Zywitza. Und die ersten Ergebnisse sind bereits vielversprechend: Den Wissenschaftlern ist es gelungen, aus den Hautproben des verstorbenen Nashornbullen Kertam induzierte pluripotente Stammzellen zu generieren. Diese sogenannten iPS-Zellen können sich – ähnlich wie Krebszellen – unendlich oft teilen, was sie zu wertvollen Speichern der gefährdeten genetischen Information dieser Nashörner macht. Noch viel entscheidender ist aber, dass sich diese Stammzellen in jede beliebige Zellart des Körpers entwickeln können, wie etwa Neuronen, Leberzellen, Muskelzellen oder eben Eizelle und Spermium.

Von „Mini-Gehirnen“ zu Keimzellen

Nach der erfolgreichen Stammzellgewinnung, gingen Zywitza und ihre Kollegen noch einen Schritt weiter, indem sie sogenannte Mini-Gehirne aus den iPS-Zellen züchteten. Um die Entwicklung der Stammzellen zu Neuronen und Gehirnstrukturen anzuregen, nutzen sie Botenstoffe, die auch im menschlichen Gehirn vorkommen. Laut der Forschenden entwickelten sich die entstandenen Hirn-Organoide in selbst-organisierter Form weiter. „Bisher ist wenig bekannt über das Nashorn-Gehirn und seine Entwicklung während der Embryogenese. Daher eröffnet diese Entwicklung von Hirn-Organoiden ungeahnte Möglichkeiten für das Erforschen und Verstehen der Entwicklung des Nashorn-Gehirns“, erklären Zywitza und ihr Team.

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Das nächste Ziel ist es nun, aus Kertams induzierten Stammzellen auch Samenzellen zu züchten, die sich für eine künstliche Befruchtung eignen. „Dieser Schritt ist allerdings schwieriger“, sagt Zywitza. „Um Spermien zu gewinnen, ist es erforderlich, aus den iPS-Zellen zunächst primordiale Keimzellen, die Vorläufer von Ei- und Samenzellen, zu generieren.“ Diese kniffelige Aufgabe soll jetzt als nächstes angegangen werden.

Die Wissenschaftler warnen jedoch auch davor die Stammzellen-Technik als einfaches Mittel gegen das Artensterben zu betrachten: „Auch wenn unsere Arbeit versucht, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen, nämlich Arten zu erhalten, die ansonsten vermutlich von unserem Planeten verschwinden würden, muss sie eine Ausnahme bleiben und darf nicht zur Regel werden“, sagt Zywitza. „Trotz aller Begeisterung: Was wir im Labor tun, kann allenfalls ein kleines Stück weit dazu beitragen, die Nashörner vor dem Aussterben zu retten.“ Noch wichtiger sei es, die noch vorhandenen Lebensräume dieser Tiere zu schützen und zu bewahren.

Quelle: Max-Delbrück-Center für Molekulare Medizin Berlin, Fachartikel: Iscience, doi: 10.1016/j.isci.2022.105414

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