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Zugewanderte Meisen lernen von ihren Nachbarn

Erde|Umwelt

Zugewanderte Meisen lernen von ihren Nachbarn
Meise
Eine Meise im Lerntest. © Hervé Glabeck/ Docland Yard

Kommen Meisen in eine neue Umgebung, beobachten sie ihre dort heimischen Artgenossen genau und schauen sich bei ihnen Tricks für die Futtersuche ab. Das zeigt eine Studie anhand eines Experiments mit Kohlmeisen. Dafür brachten die Forschenden den Vögeln zunächst in verschiedenen Gruppen bei, eine Futterbox auf eine von zwei Arten zu öffnen. Anschließend setzten sie einige Tiere zu der jeweils anderen Gruppe. Stellten die Meisen fest, dass die Lösungsvariante der dort heimischen Artgenossen eine höhere Belohnung versprach, wichen sie schnell von ihrer erlernten Strategie ab. Demnach hat Zuwanderung einen starken Einfluss darauf, wie die Vögel voneinander lernen.

In neuen Umgebungen ist es für Tiere nützlich, sich rasch mit den neuen Gegebenheiten vertraut zu machen und ihr Verhalten daran anzupassen. Für Schimpansen, Orang-Utans und viele andere Primaten wurde bereits nachgewiesen, dass sie in solchen Situationen auf soziales Lernen setzen. Sie beobachten andere, schon länger dort lebende Individuen und imitieren deren Strategien, beispielsweise bei der Futtersuche. Auch von Vögeln war bereits bekannt, dass sie zu sozialem Lernen in der Lage sind. Welche Rolle dabei allerdings eine neue Umgebung spielt, war bislang unklar.

Futterbox mit verschiedenen Belohnungen

Ein Team um Michael Chimento von der Universität Zürich hat diese Frage nun mit einem Experiment geklärt. Dazu fingen die Forschenden 144 wildlebende Kohlmeisen ein und hielten sie in mehreren Gruppen in Volieren. Jeweils einem Vogel aus jeder Gruppe brachten sie bei, eine Futterbox zu öffnen, indem er die Tür entweder nach rechts oder nach links schob. Die eine Seite enthielt dabei lediglich Sonnenblumenkerne, zu denen die Meisen auch unabhängig von der Futterbox Zugang hatten, die andere Seite hingegen Buffalowürmer, die die Meisen lieber mögen als Körnerfutter.

Nachdem der Tutor-Vogel wieder in seiner Gruppe war, lernten die anderen Volierenbewohner schnell, die Tür ebenfalls so zu verschieben, dass sie an die Buffalowürmer gelangten. Für das eigentliche Experiment setzten die Forschenden dann zwei Vögel in eine neue, etwas anders eingerichtete Voliere, die ebenfalls mit einer Futterbox ausgestattet war. Darin befanden sich die Buffalowürmer an der gewohnten Stelle. Statt der ungeliebten Sonnenblumenkerne enthielt die andere Seite jedoch eine Belohnung, die Kohlmeisen noch lieber fressen als Buffalowürmer: Mehlwürmer. Den Vögeln, die schon länger in dieser Voliere lebten, war das bekannt. Würden die Neuankömmlinge bei ihrem erlernten Verhalten bleiben oder würden sie die neue, bessere Belohnung entdecken?

Soziales Lernen in neuer Umgebung

Das Ergebnis: 80 Prozent der frisch zugezogenen Vögel wählten schon beim ersten Versuch die Seite mit den Mehlwürmern. „Wichtig ist, dass die Neuankömmlinge nicht wussten, dass eine höhere Belohnung auf sie warten würde. Sie konnten die Veränderung nur erkennen, indem sie entweder die Bewohner beim Benutzen der Box beobachteten oder selbst die andere Seite ausprobierten“, sagt Chimento. „Natürlich können wir die Vögel nicht fragen, woher sie ihre Informationen haben. Die Verhaltensmuster weisen aber eindeutig darauf hin, dass die Neuankömmlinge die anderen von Anfang an sehr genau beobachteten.“

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In weiteren Versuchen erforschte das Team die Einflussfaktoren auf das soziale Lernen der Kohlmeisen. War die neue Voliere genauso eingerichtet wie die Heimatvoliere, kopierten die Neuankömmlinge seltener das Verhalten ihrer Artgenossen. Das gleiche galt, wenn sich auf beiden Seiten der Futterbox die gleiche Belohnung befand, es also keinen Vorteil brachte, die erlernte Strategie zu ändern. „In diesen Fällen verließen sich die Neuankömmlinge mehr auf individuelles als auf soziales Lernen“, berichten Chimento und sein Team.

„Zusammengefasst deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass Kohlmeisen den Erfolg anderer beobachten und sich stärker von den sozial beobachteten Unterschieden beeinflussen lassen, wenn sich die Umweltmerkmale in ihrer neuen Umgebung unterscheiden“, so die Forschenden. „Unsere Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass räumliche Variabilität eine starke Triebkraft für die Entwicklung sozialer Lernstrategien ist.“ Für Meisen ist diese soziale Lernfähigkeit in freier Wildbahn wahrscheinlich von großer Bedeutung. „In der Natur ziehen die Tiere oft von einer Umgebung in eine andere“, erklärt Chimentos Kollegin Lucy Aplin. „Daher brauchen sie eine Strategie um herauszufinden, welche Verhaltensweisen am neuen Ort gut und welche schlecht sind.“

Quelle: Michael Chimento (Universität Zürich, Schweiz) et al., PLOS Biology, doi: 10.1371/journal.pbio.3002699

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