Hunde sind nicht nur der sprichwörtlich beste Freund des Menschen, sie verfügen auch über hohe Intelligenz. “Hunde gehören zu den wenigen Tierarten, die wir landläufig als clever ansehen”, sagt Erstautorin Claudia Fugazza von der Eötvös Universität in Budapest. “Trotzdem sind wir immer wieder überrascht, wenn eine Studie enthüllt, dass Hunde und ihre Besitzer trotz ihrer nur entfernten biologischen Verwandtschaft einige mentale Fähigkeiten teilen.” So belegen Experimente beispielsweise, dass sich die Vierbeiner in einer Schnupper-Variante des berühmten Spiegeltests selbst erkennen. Sie verstehen zudem unsere Gesten, Blicke und Worte erstaunlich gut und können sogar zählen – wenn auch etwas schlechter als Wölfe. Die große Lernfähigkeit der Hunde demonstriert auch, dass Hunde ein sehr gutes prozedurales Gedächtnis besitzen: Sie können sich an einmal gelernte Fertigkeiten und Abläufe erinnern.
Offen blieb aber bisher, ob Hunde auch über ein episodisches Gedächtnis verfügen. “Diese Gedächtnisform ist als Erinnerung von persönlichen Erlebnissen und spezifischen Ereignissen im eigenen Leben definiert”, erklären Fugazza und ihre Kollegen. “Sie gilt als eng verknüpft mit dem Besitz eines Selbstbewusstseins.” Im Gegensatz zu antrainierten Fertigkeiten merken wir uns solche Ereignisse und Erfahrungen unwillkürlich – einfach, weil wir sie erleben. Ob dieses episodische Gedächtnis eine reine Domäne des menschlichen Geistes ist oder ob auch Tiere diese Fähigkeit des Erinnerns besitzen, ist bislang strittig – auch, weil man Tiere leider nicht einfach fragen kann: “Erinnerst Du Dich noch?” Hauptproblem ist es daher, Experimente und Tests zu entwickeln, die dieses Gedächtnis abfragen, ohne dass zuvor ein bewusstes Lernen oder Antrainieren stattfindet.
Erfolgreich gemerkt und nachgemacht
Um dies zu gewährleisten, haben Fugazza und ihre Kollegen ein beliebtes Hundelernspiel umfunktioniert. Bei diesem Nachahmungsspiel werden die Hunde darauf trainiert, die jeweiligen Handlungen “ihres” Menschen nachzumachen, wenn sie per Kommando dazu aufgefordert werden. Dreht sich beispielsweise Frauchen einmal im Kreis und sagt dann “Machs nach!”, dreht sich auch der Hund. Das allein jedoch wäre noch kein Beispiel für ein episodisches Gedächtnis. Denn der Hund imitiert die Handlung unmittelbar anschließend und ist im Rahmen des Lernspiels darauf gefasst, dies zu tun. Doch die Forscher wandelten das Spiel ab: Nach einiger Zeit des “Machs nach!”-Trainings folgte eine andere Übungseinheit. In dieser lernten die Hunde, sich auf verschiedene Bewegungen ihres Besitzers hin auf den Boden zu legen. “Dadurch wird die zuvor geschürte Erwartung der Hunde, gleich imitieren zu müssen, durch die Erwartung des Hinlegens ersetzt”, erklären die Forscher. Erst nach dieser Zwischeneinheit erhielten die Hunde unvermittelt erneut den Befehl: “Machs nach!”. Dieser wurde einmal eine Minute nach der vorgeführten Handlung gegebenen und einmal eine Stunde später.
Das Ergebnis: Obwohl die Hunde nicht bewusst auf das Nachahmen gepolt waren, hatten sie sich die Handlung “ihres” Menschen gemerkt – und konnten sie erfolgreich imitieren. “Unseres Wissens nach ist dies der erste Beleg dafür, dass eine nichtmenschliche Tierart komplexe Ereignisse erinnert, ohne sie direkt beim Einprägen motorisch nachzuvollziehen”, konstatieren Fugazza und ihre Kollegen. Beim Imitieren müssen die Hunde auf eine reine mentale Repräsentation des zuvor Gesehenen zurückgreifen und noch dazu ein Ereignis erinnern, dass sie sich zuvor nicht bewusst eingeprägt hatten. Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass Hunde eine Form des episodischen Gedächtnisses besitzen. “Man kann diese Ergebnisse als weiteren Schritt dahin sehen, die künstlich errichtete Wand zwischen nichtmenschlichen Tieren und Menschen einzureißen”, sagt Fugazza.
So lief das Experiment zum Hundegedächtnis ab (Video: Cell Press)