Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Wo sitzt der Kopf bei Seesternen?

Biologie

Wo sitzt der Kopf bei Seesternen?
Seesterne sind offenbar "wandelnde Köpfe". © Laurent Formery

Ist es die Mitte, ein spezieller Arm – oder besitzen Seesterne überhaupt keinen Kopf? Ihr ganzer Körper besteht nur aus diesem Körperabschnitt, hat nun eine genetische Studie aufgedeckt. Demnach sind Erbanlagen, die üblicherweise zur Entstehung von Köpfen bei Tieren führen, im gesamten Körper der Seesterne aktiv. Programme, die zur Ausbildung eines Rumpfes führen, laufen bei ihrer Entwicklung hingegen nicht ab. Dies legt somit nahe, dass die Evolution des ungewöhnlichen Körperbaus dieser Wesen auf einer Reduktion der Anatomie auf den Kopf basierte, sagen die Wissenschaftler.

Normalerweise ist vorn und hinten klar erkennbar und die Körper sind spiegelsymmetrisch aufgebaut: Vom Wurm bis zum Menschen besitzen die meisten Tiere aus der Gruppe der Bilateria eine charakteristisch symmetrisch aufgebaute Anatomie mit einem Kopf und Rumpf. Doch die Seesterne und einige andere Vertreter der Stachelhäuter (Echinodermata) bilden dabei eine Ausnahme, die Biologen schon seit Generationen Kopfzerbrechen bereitet. Denn ihre Körper bestehen aus mehreren gleich aufgebauten Fortsätzen und eine Aufteilung in Kopf und Rumpf ist nicht erkennbar. Bisher ließ sich nicht klären, inwieweit bestimmte Teile dieser Tiere dennoch den typischen Strukturen anderer Vertreter der Bilateria entsprechen und wie sich der seltsam sternförmige Körperbau im Lauf der Evolution entwickelt haben könnte.

Anatomie im Spiegel der Genetik

Da Untersuchungen der anatomischen Merkmale und Gewebestrukturen dazu bisher keine klaren Hinweise geliefert haben, ist ein Team aus britischen und US-amerikanischen Forschern dem Rätsel nun durch genetische Methoden nachgegangen. Dieser Ansatz beruht dabei darauf, dass seit den 1990er Jahren bekannt ist, dass bei den Bilateria bestimmte Erbanlagen für die Ausbildung der verschiedenen Körperteile während der Embryonalentwicklung verantwortlich sind: Die Aktivität bestimmter Gene ist dabei charakteristisch für die Bildungsprozesse des Kopfes, die anderer hingegen für die Entwicklung des Rumpfes beziehungsweise Schwanzes. Das bedeutet: Ein Abschnitt eines Tierkörpers lässt sich auch anhand der Genexpression den jeweiligen Körpersegmenten zuordnen.

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler nun die Aktivität dieser bekannten Entwicklungsgene in jungen Seesternen der Art Patiria miniata. Dabei verwendeten sie das Verfahren der sogenannten “RNA-Tomographie” und führten In-situ-Hybridisierung an den Geweben der Tiere durch, um die Genexpressions-Muster aufzudecken. Aus den Ergebnissen konnten sie dann schließlich eine dreidimensionale Karte der für die Körperteil-Bildung relevanten Aktivität in den verschiedenen Gewebebereichen der Seesterne erstellen.

Anzeige

Der Rumpf fehlt

Aus den Ergebnissen ging dabei hervor: Seesterne besitzen in der Mitte jedes Armes Bereiche mit einer Kopf-typischen Genexpression. Im Gegensatz dazu fanden die Wissenschaftler aber in keinem Teil der Tiere eine Aktivität entwicklungsgenetischer Strukturprogramme, die typisch für den Rumpf bei den Vertretern der Bilateria sind. Letztlich bedeutet das also: Seesterne besitzen eigentlich keinen speziellen Kopfbereich, sondern sie bestehen gleichsam komplett aus diesem Körperabschnitt. “Ihnen fehlt offenbar der Rumpf völlig. Am ehesten kann man sie deshalb als Köpfe bezeichnen, die über den Meeresboden wandern“, sagt Erst-Autor Laurent Formery von der Stanford University.

Dieses Ergebnis deutet damit nun darauf hin, dass Seesterne und einige andere Stachelhäuter ihren Körperbau durch Verlust der Rumpfregion ihrer bilateral-symmetrischen Vorfahren entwickelt haben, erklären die Wissenschaftler. “Dies eröffnet eine Menge neuer Fragen, die wir jetzt erkunden können”, sagt Formery. Dabei gibt es auch eine interessante Spur: Fossilienfunde geben Hinweise darauf, dass die Vorfahren dieser Tiere noch einen Rumpf besessen haben. In weiterführenden Untersuchungen wollen Formery und seine Kollegen deshalb nun unter anderem der Frage nachgehen, inwieweit die genetische Strukturierung bei den Seesternen auch bei anderen Stachelhäutern wie den Seeigeln und Seegurken zu finden ist.

Quelle: Stanford University, Chan Zuckerberg Biohub, University of Southampton, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-023-06669-2

Anzeige
Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Youtube Music
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Kom|men|ta|tor  〈m.; –s, –to|ren〉 1 jmd., der einen Kommentar gibt, etwas erklärt, erläutert 2 〈Radio; TV〉 Sportreporter … mehr

Hy|gi|e|ne  〈f. 19; unz.〉 1 Gesamtheit aller Bestrebungen u. Maßnahmen zur Verhütung von Krankheiten u. Gesundheitsschäden; Sy Gesundheitslehre … mehr

mu|si|ka|lisch  〈Adj.〉 1 die Musik betreffend, zu ihr gehörig, auf ihr beruhend 2 musikbegabt, Musik verstehend, musikliebend (Person) … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige