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Wo landet der weggeworfene Plastikmüll?

Umweltverschmutzung

Wo landet der weggeworfene Plastikmüll?
Plastikmüll auf einer Mülldeponie
Unser Plastikmüll landet zwar mehrheitlich auf offiziellen Müllhalden, aber große Mengen gelangen auch unkontrolliert in die Natur. © walid Moujanni / iStock

Plastikprodukte sind in unserem Leben allgegenwärtig. Werden sie nicht mehr gebraucht, werfen wir sie weg. Doch was passiert danach mit den Kunststoffen? Wissenschaftler haben erstmals eine weltweite Inventur des in der Umwelt anfallenden Plastikmülls gemacht. Demnach werfen einige Länder erheblich mehr Plastikabfall weg als andere und entsorgen ihn nicht umweltgerecht. Bei den wenig ruhmreichen Hotspots ganz vorn mit dabei: Indien, Nigeria und Indonesien. Ein Grund: Vor allem in ärmeren Ländern gibt es oft keine Müllabfuhr, stattdessen wird der Abfall verbrannt oder weggeworfen. Die Erhebung soll nun Politikern helfen, die regionale Müllentsorgung und das Recycling zu verbessern. Das käme nicht nur der Natur, sondern auch unserer Gesundheit zugute.

In unserem Alltag nutzen wir unzählige Plastikprodukte. Jährlich werden dafür mehr als 400 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert. Sie wurden einst erfunden, um leichte und zugleich langlebige Materialien für Verpackungen und Alltagsgegenstände zu schaffen. Doch Plastik ist meist so robust, dass es nur extrem langsam in der Natur abgebaut wird und sich daher zunehmend in der Umwelt anreichert. Diese Plastikverschmutzung stellt eine globale Herausforderung dar, weil sie sich negativ auf Ökosysteme und die menschliche Gesundheit auswirkt. Doch über welche Wege, in welcher Form und in welchen Mengen gelangt das Plastik genau in die Natur? Und wo wird besonders viel Kunststoff weggeworfen?

Infografik: Was ist Makroplastik-Abfall?
Was ist Makroplastik-Abfall? © Dr Angeliki Savvantoglou of Bear Bones

Wo gelangt wie viel Plastik in die Umwelt?

Diesen Fragen ist nun ein Team um Joshua Cottom von der University of Leeds erstmals detailliert nachgegangen. Dafür werteten sie mit Hilfe einer KI und Computermodellen verfügbare Daten zum lokalen Materialfluss aus dem Jahr 2020 aus und ermittelten daraus den lokalen und regionalen Plastikabfall in 50.702 Städten und Ländern weltweit. Dieser Müll umfasst das sogenannte Makroplastik, also alle Kunststoffpartikel, die größer als fünf Millimeter sind. In dieser Größe ist Plastik theoretisch gut entsorgbar und recycelbar. Geschieht dies nicht, zerfällt der Kunststoff mit der Zeit zu Mikroplastik.

Die globale Inventur ergab, dass jährlich etwa 52,1 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle in der Umwelt landen. Das entspricht 21 Prozent des insgesamt anfallenden Plastikmülls. Rund 57 Prozent des nicht sachgerecht entsorgten Mülls wird dabei ohne Umweltauflagen und Schadstofffilter auf offener Straße oder auf inoffiziellen Mülldeponien verbrannt, der Rest landet weitgehend unverändert in der Natur. Die Ursachen dafür sind unterschiedlich: Während der Abfall im globalen Norden vorwiegend entsteht, weil er achtlos weggeworfen wird, häuft er sich im globalen Süden an, weil er nicht kontrolliert gesammelt und entsorgt wird. Insgesamt 15 Prozent der Weltbevölkerung leben ohne Müllabfuhr-Service, wie die Forschenden berichten. „Mindestens 1,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Müllabfuhr und sind gezwungen, ihren Müll ‚selbst zu entsorgen‘, indem sie ihn oft an Land oder in Flüssen entsorgen oder in offenen Feuern verbrennen“, sagt Cottom.

Infografik: Die Top 10-Länder, mit den meisten unsachgerecht entsorgten Plastikabfällen
Die Top 10-Länder, mit den meisten unsachgerecht entsorgten Plastikabfällen. © Dr Angeliki Savvantoglou of Bear Bones

Dadurch fallen auch besonders große Mengen an Plastikmüll in ärmeren Ländern in Süd- sowie Südostasien und in Afrika südlich der Sahara an. Der mit Abstand größte Abfall-Emittent ist allerdings Indien mit 9,3 Millionen Tonnen Makroplastik pro Jahr – fast ein Fünftel des weltweit nicht umweltgerecht entsorgten Plastikmülls. Auf Platz zwei und drei folgen Nigeria und Indonesien mit 3,5 und 3,4 Millionen Tonnen Makroplastik jährlich. China – in älteren Analysen als Hauptverursacher ermittelt – belegt mit 2,8 Millionen Tonnen „nur“ Rang vier. Zum Vergleich: In Nordamerika und den meisten europäischen Ländern liegt der Wert jeweils unter 0,1 Millionen Tonnen, in Deutschland sind es 7725 Tonnen pro Jahr.

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Politische Maßnahmen gefordert

Diese Erkenntnisse könnten politische Entscheidungsträger nun nutzen, um die regionale Müllentsorgung und das Recycling zu verbessern, so dass weniger Plastikabfall in der Umwelt landet. „Wir müssen uns viel, viel stärker auf die Bekämpfung von offenem Verbrennen und nicht eingesammeltem Müll konzentrieren, bevor noch mehr Leben unnötig durch Plastikverschmutzung beeinträchtigt werden“, sagt Seniorautor Costas Velis von der University of Leeds. Insbesondere in den ärmeren Ländern müsse die Müllabfuhr verbessert werden. Die Forschenden plädieren zudem für einen weltweiten „Kunststoffvertrag“, in dem sich die Unterzeichner zu einer sachgerechten und dokumentierten Entsorgung des Plastiks in ihrem Land verpflichten. Dieser Vorschlag soll beim anstehenden UN-Plastikgipfel in Südkorea im November diskutiert werden.

Auch Treibhausgase und Schadstoffe, die bei der Müllverbrennung entstehen und das Klima beziehungsweise die Fortpflanzung und Entwicklung von Ungeborenen schädigen können, könnten durch ein besseres Abfallmanagement teils reduziert werden. „Die Inventur unterstreicht aber auch die Tatsache, dass Strategien zum Umgang mit großen Plastikmüllstücken die Emissionen anderer Schadstoffe, einschließlich Mikroplastik, gefährlicher Luftschadstoffe und Treibhausgase, verstärken können“, schreibt Matthew MacLeod von der Universität Stockholm in einem Kommentar zur Studie. Er plädiert daher dafür, insgesamt weniger Plastik herzustellen, statt sich nur um dessen Entsorgung zu kümmern.

Quelle: University of Leeds; Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07758-6

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