Ihren Ursprung haben Blitze in Gewitterwolken. Diese typischerweise sehr hoch aufragenden Wolken entstehen, wenn feuchtwarme Luftmassen aufsteigen und die Luftfeuchtigkeit kondensiert. Unter anderem deshalb gibt es die meisten Gewitter und Blitze im Sommer, über Land und am Nachmittag – dann sind die atmosphärischen Bedingungen am günstigsten. Durch Luftturbulenzen innerhalb der Gewitterwolke und ihre große vertikale Ausdehnung bildet sich eine Ladungsdifferenz zwischen dem oberen und dem unteren Bereich. Überschreitet der Spannungsunterschied zwischen den beiden Bereichen einen bestimmten Schwellenwert, kommt es zu einer plötzlichen Entladung – es blitzt. Bei einem solchen Blitz können in Sekundenbruchteilen bis zu 100 Millionen Volt entstehen und mehrere zehntausend Ampere den schmalen Blitzkanal entlangfließen. Die Luft wird dabei auf rund 30.000 Grad erhitzt und dehnt sich explosionsartig aus – es donnert. Zwar sind die von der Wolke zur Erdoberfläche reichenden Blitze die gefährlichsten und spektakulärsten, knapp zwei Drittel aller Blitze aber zucken innerhalb der Wolke oder von Gewitterwolke zu Gewitterwolke hin und her.
500 Blitz-Hotspots kartiert
Um herauszufinden, wo die Blitz-Hotspots der Erde liegen, haben Rachel Albrecht von der Universität von Sao Paulo und ihre Kollegen die Daten des Blitzsensors an Bord des NASA-Satelliten “Tropical Rainfall Measuring Mission” (TRMM) ausgewertet. Der im niedrigen Erdorbit kreisende Satellit hat zwischen 1997 und 2015 die Blitzhäufigkeit in den von ihm überflogenen Gebieten aufgezeichnet. Abgedeckt hat der Sensor dabei alle Gebiete zwischen dem 38. nördlichen und südlichen Breitengrad – und damit die Regionen, in denen aufgrund des eher warmen Klimas bevorzugt Blitze auftreten. Aus diesen Daten entwickelten die Forscher eine Karte der globalen Blitz-Hotspots und listeten die Top 500 weltweit und die Top Ten der großen Kontinente auf. Erstmals erreicht diese Blitzkarte dabei eine geografische Auflösung von 0,1 Grad, wie sie berichten.
Die Auswertung ergab: Blitze und Gewitter sind keineswegs gleichmäßig über die warmen Regionen des Globus verteilt. Zwar blitzt es im Prinzip nahezu überall mal, aber die häufigsten Entladungen konzentrieren sich in einigen relativ eng umgrenzten Gebieten. Diese liegen besonders häufig an Land in der Nähe von Gebirgen, weil dort warme Luft besonders oft in die Höhe steigt. Beispiele dafür sind Zonen am Rand der Anden und der Sierra Madre in Süd- und Mittelamerika, aber auch der Südrand des Himalaya und einige Grenzgebiete zwischen Regenwald und Bergen, wie am Rand des Kongobeckens in Afrika. “Tatsächlich liegen nur sechs der Top 30 Blitz-Hotspots nicht in der Nähe einer Bergregion”, sagen die Forscher. Aber auch Gebiete in Küstennähe, wo feuchte Luft vom Meer auf das Land weht, sind besonders blitzträchtig, wie die Daten zeigen. Zu diesen Zonen gehört die Meerenge von Malakka in Indonesien und einige Regionen in Malaysia.
297 Blitztage pro Jahr
Die Lage des aktivsten Blitz-Hotspots der Erde aber überraschte selbst die Wissenschaftler: “Eine überraschende Entdeckung ist es, dass der Ort mit den häufigsten Blitzen der Erde nicht in Afrika liegt, wie bisher vermutet, sondern direkt über dem Lake Maracaibo in Venezuela”, berichten sie. Über dem See registrierte der Satellit mehr als 233 Blitze pro Jahr und Quadratkilometer – wahrscheinlich aber sind noch erheblich mehr. Denn allein in der Zeit von August bis November registrierte der Blitzsensor dort an manchen Tagen mehr als 65 Blitze, wie die Forscher berichten. Im Durchschnitt gibt es über dem Lake Maracaibo an 297 Tagen im Jahr ein von Entladungen begleitetes Gewitter. Der Grund für die extrem hohe Blitzhäufigkeit über diesem See ist das Zusamenspiel von tropisch feuchtwarmem Klima und der Lage des Sees am Fuße eines nördlichen Andenausläufers. Vor allem nachts kühlen die umgebenden Berghänge schneller ab als die warme Luft über dem See, dadurch bilden sich Winde, die die Wolkenbildung und die Entstehung von Gewittern begünstigen. “Die nächtlichen Gewitter über dem Lake Maracaibo sind so häufig, dass ihre Blitzaktivität schon von Seefahrern zur Kolonialzeit als Navigationshilfe genutzt wurden”, berichten Albrecht und ihre Kollegen.
Der Zweitplatzierte unter den globalen Blitz-Hotspots liegt in der Demokratischen Republik Kongo. Bei Kabare im Kahuzi-Biéga-Nationalpark blitzt es immerhin noch 205 Mal pro Jahr und Quadratkilometer. Ursache ist auch hier die Lage dieses Ortes an einem Gebirge: Der Blitz-Hotspot liegt an der Westseite der Mitumba-Berge, hier steigt warmfeuchte Luft aus dem Kongobecken und dem dortigen Regenwald die Berghänge hinauf. “Wenig überraschend ist Afrika in der Liste der 500 Orte mit höchste Blitzhäufigkeit gleich 283 Mal vertreten”, berichten Albrecht und ihre Kollegen. “Es folgen Asien mit 87 Blitz-Hotspots, Südamerika mit 67, Nordamerika mit 53 und Ozeanien mit zehn.” In Asien erweist sich die Südseite des Himalaya als besonders blitzträchtig. Am häufigsten entlädt sich die Spannung dabei in Daggar in Pakistan – immerhin 143 Mal pro Jahr blitzt es in diesem Grenzgebiet von Industal und Hochgebirge. In Nord- und Mittelamerika konzentrieren sich die Blitze am Fuß der Sierra Madre, aber auch in den Everglades im Süden der USA blitzt es immerhin noch 79 Mal pro Jahr und Quadratkilometer, wie Albrecht und ihre Kollegen ermittelten. In Australien stellt die Nordküste des Kontinents gleich neun von zehn Blitz-Hotspots, zwischen 91 und 51 Blitze gibt es dort pro Jahr.
Der Nutzen dieser neuen Karte der Blitzhäufigkeit liegt aber keineswegs nur in einer Aufzählung von Rekorden. Stattdessen hilft die Lokalisierung von Blitz-Hotspots dabei, die Mechanismen dieses Wetterphänomens besser zu versehen, wie die Forscher betonen: “Unsere Studie liefert Einblicke und Kontext für Vorhersagen und für Forscher, die anhand dieser Blitzaktivität die Erde und das Wetter besser verstehen”, so ihr Fazit.