Der Klimawandel stellt Wildtiere vor viele Herausforderungen. Unter anderem verändern die steigenden Temperaturen ihr Darm-Mikrobiom, wie Forschende nun anhand von Erdmännchen herausgefunden haben. Demnach haben sich im Laufe der letzten 20 Jahre vermehrt krankheitserregende Bakterienarten im Darm der Kleinsäuger angereichert, während die Zahl der gesundheitsfördernden Milchsäurebakterien abgenommen hat. Die Erdmännchen werden dadurch häufiger krank und sterben insgesamt früher als noch vor ein paar Jahrzehnten.
Die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft in unserem Darm spielt eine wichtige Rolle für unser Immunsystem und unsere Infektanfälligkeit. Ein hoher Anteil an „guten“ Bakterien wie Milchsäurebakterien stärkt die Immunreaktion unseres Körpers und schützt uns so vor Krankheiten. Nehmen jedoch die „schlechten“ Bakterien überhand, macht uns das wiederum anfälliger für gefährliche Infekte.
Kotsammeln in der Kalahari
Auch bei Wildtieren nehmen die Bakteriengemeinschaften im Darm eine solche Rolle ein. Es ist daher wichtig zu wissen, welche Faktoren ihr Darm-Mikrobiom aus dem Gleichgewicht bringen und so mitunter zu einem verfrühten Tod führen können. Biologen haben dahingehend schon länger den Klimawandel als schädlichen Einfluss im Verdacht. Doch Alice Risely von der Universität Ulm und ihre Kollegen haben diesen Zusammenhang nun zum ersten Mal direkt überprüft, und zwar anhand von Erdmännchen in der Kalahari. Diese sozial lebenden Kleinsäuger eignen sich dafür besonders gut, weil sie die Auswirkungen des Klimawandels in aller Härte zu spüren bekommen. Die Temperaturen in der südafrikanischen Wüste sind in den letzten 20 Jahren fünfmal stärker gestiegen als der globale Durchschnitt. An heißen Tagen ist es hier mitunter zwei Grad wärmer als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Gleichzeitig gibt es unter den dort lebenden Erdmännchen immer häufiger Tuberkulose-Fälle, die auch zum Tod der Tiere führen. Das könnte ein Anzeichen dafür sein, dass die steigenden Temperaturen das Darm-Mikrobiom der Erdmännchen verändert und sie so anfälliger für gefährliche Infekte gemacht haben. Um das zu überprüfen, analysierten Risely und ihr Team das Darm-Mikrobiom von insgesamt 235 Tieren. Das gelang ihnen mithilfe von 1141 Kotproben, die Projektpartner vor Ort zwischen 1997 und 2019 gesammelt hatten. Anhand der im Kot enthaltenen Bakterien konnten die Forschenden überprüfen, wie sich der Mikrobenhaushalt bei ein und denselben Tieren im Laufe der Zeit verändert hatte, aber wie sich seine Zusammensetzung von Generation zu Generation entwickelt hatte.
Klimawandel lässt Erdmännchen früher sterben
Das Ergebnis: Im Laufe der vergangenen 20 Jahre hat sich das Mikrobiom der Kalahari-Erdmännchen mit krankheitserregenden Mikroben aus der Gruppe der Bacteroidia angereichert, wie Risely und ihre Kollegen berichten. Gleichzeitig ist die Zahl der gesundheitsfördernden Milchsäurebakterien zurückgegangen. „Diese Verschiebungen traten nicht nur innerhalb gegenwärtig lebender Individuen auf, sondern wurden über Generationen hinweg verstärkt“, schildert die Ulmer Forscherin. Dass die Zahl schlechter Darmbakterien kontinuierlich steigt, während die guten Bakterien abnehmen, könnte auch erklären, warum immer mehr Erdmännchen an Tuberkulose erkranken und verfrüht sterben. Ihr Immunsystem ist schlicht nicht mehr stark genug, um den Erreger erfolgreich abzuwehren.
Dass diese Verschiebungen im Darm-Mikrobiom überhaupt stattfinden, führen Risely und ihr Team auf die Einflüsse des Klimawandels zurück. Sie konnten einen eindeutigen statistischen Zusammenhang zwischen trockenen, heißen Wetterphasen und der Zunahme krankheitserregender Bakterien nachweisen. „Die Tatsache, dass auch der Klimawandel die Darmbakterien stören kann, war bislang unbekannt“, erklärt Riselys Kollege Dominik Schmid. Die Folgen dieses Zusammenhangs sind verheerend für die Erdmännchen der Kalahari. Zusammengenommen führen heiße Temperaturen und Tuberkulose-Infektionen bei ihnen zu einer zehnmal niedrigeren Überlebenschance. Und wahrscheinlich sind Erdmännchen längst nicht die einzigen Wildtiere, deren Darmbakterien durch den Klimawandel neu gemischt werden.
Quelle: Universität Ulm; Fachartikel: Global Change Biology, doi: 10.1111/gcb.16877