Der Bodensee-Tiefseesaibling fiel doch nicht der Ära der Gewässerverschmutzung zum Opfer, bestätigt eine Studie: Die genetische Untersuchung von entdeckten Exemplaren mit bisher fraglicher Identität hat bestätigt, dass es sich tatsächlich um direkte Nachkommen der lange für ausgestorben gehaltenen Art handelt. Die Fische unterscheiden sich demnach deutlich von den sogenannten Normalsaiblingen des Bodensees. Deren Bestände haben sich im Gegensatz zum Tiefseesaibling durch die Einbürgerung von Fischen aus anderen Alpenseen in den letzten Jahrzehnten stark verändert, berichten die Forscher.
Heute besitzt der Bodensee vorbildliche Wasserqualität. Doch das war nicht immer so: Bis umfangreiche Schutzmaßnahme eingeführt wurden, gelangten bis ins mittlere 20. Jahrhundert Abwassermengen in den See, die zu einer Überdüngung führten. Dadurch kam es zu Algenblüten, die wiederum im Tiefenwasser zu Sauerstoffmangelzuständen führten. Dies schädigte vor allem Fischarten, die dort laichen. Besonders war davon eine nur im Bodensee vorkommende Art betroffen: Die Bestände des Tiefseesaiblings (Salvelinus profundus) brachen ein. Diese bis zu 28 Zentimeter langen Fische laichen und leben in Tiefen von etwa 70 bis 150 Metern. Sie unterscheiden sich in ihrem Verhalten und Aussehen dabei deutlich von ihrem Verwandten, dem bis zu 40 Zentimeter großen Normalsaibling (Salvelinus umbla).
Wirklich wiederentdeckt?
Während sich dessen Bestände noch halten konnten, verlor sich schließlich die Spur des Tiefseesaiblings: Über 40 Jahre hinweg war kein Exemplar mehr entdeckt worden – die Art galt als ausgestorben. Doch im Jahr 2014 machte ein Fischer dann eine überraschende Entdeckung in seinem Netz: Er fand einen ungewöhnlich wirkenden Saibling. Anschließend entdeckten Wissenschaftler der Fischereiforschungsstelle Langenargen sowie des Wasserforschungsinstituts der Schweiz in Netzfängen aus der Tiefe weitere Fische, bei denen es sich augenscheinlich um Tiefseesaiblinge handelte. Doch bisher blieben Fragen offen. Denn es schien etwa möglich, dass es sich nur um spezielle Formen des Normalsaiblings handelt, die sich im Zuge der Erholung der Wasserqualität wieder an das Leben in der Tiefe angepasst haben und dadurch dem tatsächlichen Tiefseesaibling ähneln.
Um für Klarheit zu sorgen, haben die Wissenschaftler um Jan Baer von der Fischereiforschungsstelle Langenargen nun eine genetische Untersuchung durchgeführt. Es gelang ihnen, Exemplaren von Tiefseesaiblingen sowie von Normalsaiblingen aus historischen Sammlungen genetische Informationen zu entlocken. Diese konnten sie anschließend mit den genetischen Merkmalen der möglichen Neufunde von Tiefseesaiblingen vergleichen.
Es gab Überlebende
So zeigte sich: Die DNA der fraglichen Exemplare ist nahezu identisch mit dem Erbgut der früheren, vor über 40 Jahren im Bodensee lebenden Vertreter der Tiefseesaiblinge. Die Forscher konnten damit die Vermutungen über eine Vermischung von Tiefseesaiblingen mit Normalsaiblingen oder eine rapide evolutionäre Anpassungsstrategie widerlegen. Die Tiefseesaiblinge sind demnach nie wirklich ausgestorben. „Die heutigen Tiefseesaiblinge stammen direkt von den ursprünglichen Exemplaren ab. Es muss also einigen Tieren gelungen sein, in der Tiefe des Sees unentdeckt zu überleben. Offenbar haben die Hilferufe der Berufsfischer in den 1950er Jahren Wirkung gezeigt: Schon früh ergriffene Maßnahmen gegen Überdüngung haben die Erhaltung des Lebensraums des Tiefseesaiblings bewirkt“, resümiert Baer.
Auch zu den Normalsaiblingen lieferte die genetische Studie interessante Erkenntnisse, berichten die Forscher: Es zeichnen sich demnach deutlich die Folgen der Einbürgerung von Exemplaren aus anderen alpinen Seen ab, die der Aufstockung der bedrängten Bestände dienen sollten. „Unsere Daten zeigen, was diese Besatzmaßnahmen bis in die 1990er Jahre bewirkt haben: Die ursprüngliche Form der Normalsaiblinge aus dem Bodensee wurden fast vollständig verdrängt und größtenteils durch einen Mix aus Zuchtfischen ersetzt“, sagt Co-Autor Ulrich Schliewen von der Zoologischen Staatssammlung München.
Quelle: Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns, Fachartikel: Ecological Applications e2773, doi: 10.1002/eap.2773