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Wie viele Arbeitsplätze kostet der Ausstieg?

Erde|Umwelt

Wie viele Arbeitsplätze kostet der Ausstieg?
Braunkohletagebau
Blick in einen Braunkohletagebau (Foto: claffra/ iStock)

Er ist das große Streitthema in der deutschen Energiepolitik: der Kohleausstieg. Vor allem die Sorge um Arbeitsplätze und regionale Wirtschaftsprobleme haben bisher dafür gesorgt, dass die Braunkohle-Förderung weiter aufrechterhalten wurde. Doch möglicherweise ist zumindest ein Teil dieser Befürchtungen unbegründet, wie nun eine Studie des Öko-Instituts nahelegt. Demnach wären Kündigungen in großem Stil wahrscheinlich gar nicht nötig.

Eigentlich ist der Weg klar: Um den Klimawandel zu bremsen, muss die Menschheit weniger fossile Energieträger verbrennen. Doch gerade in Deutschland hapert es damit, weshalb auch das nationale Klimaschutzziel wohl kaum noch zu erreichen ist. Weil bisher Stein- und Braunkohle noch immer 42 Prozent unseres Stroms liefern, sinken auch die Emissionen im Energiebereich weniger als erhofft. Das Problem: Gerade die Braunkohle-Förderung ist in einigen Regionen Deutschlands ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Eine Stilllegung dieser Anlagen und der Ausstieg aus der Kohle könnten für diese Regionen daher schwerwiegende Folgen haben, so die Befürchtung.

Arbeitsplätze in der Braunkohle untersucht

“In der politischen Debatte um einen Kohleausstieg spielt die Sorge um Arbeitsplatzeffekte in den Braunkohletagebauregionen eine besondere Rolle”, erklären Hauke Hermann vom Öko-institut und seine Kollegen. Um zu klären, was an diese Befürchtungen dran ist, haben sie untersucht, wie viele Menschen in Deutschland in der Braunkohleindustrie arbeiten und wie die künftige Beschäftigungsentwicklung aussehen könnte. Dabei haben die Forscher vor allem die Altersstruktur der heute in der Braunkohlebranche Beschäftigten näher betrachtet.

Das Ergebnis: Schon jetzt ist die Zahl der in der Braunkohleindustrie arbeitenden Menschen deutlich zurückgegangen – ganz ohne Kohleausstieg und Co. Während es 1990 noch 100.000 Beschäftigte gab, sank ihre Zahl in den Folgejahren unter anderem durch die deutsche Einheit rapide ab, wie die Forscher berichten. 2015 arbeiteten noch rund 15.400 Menschen im Braunkohlebergbau und weitere 5400 Personen in den Braunkohlekraftwerken. Insgesamt betrug die Anzahl der Beschäftigten in der Braunkohlenindustrie etwa 20.800.

Zwei Drittel gehen ohnehin in Rente

Das Entscheidende aber: Mehr als die Hälfte der im Braunkohlebergbau Beschäftigten sind heute schon über 50 Jahre alt. Bei den Braunkohlekraftwerken könnte es ähnlich aussehen, so die Wissenschaftler. Ein Großteil dieser Arbeitskräfte würde demnach bis 2030 ohnehin in Ruhestand gehen. “Diese Altersstruktur der Beschäftigten in der Braunkohleindustrie kommt einer Reduktion der energetischen Nutzung von Braunkohle entgegen”, erklären Hermann und seine Kollegen. Auch wenn die Förderung von Braunkohle bis zum Jahr 2030 stärker zurückgehe, seien daher kaum betriebsbedingte Kündigungen nötig.

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Nach Ansicht der Forscher könnte der Kohleausstieg deshalb weniger Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie haben als bisher befürchtet. Denn der Strukturwandel weg von der Kohle hin zu erneuerbaren Energien verlaufe vor allem im Braunkohlebergbau entlang der natürlichen Altersgrenzen. Wenn nur die bereits beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung umgesetzt würden, könnte die Beschäftigtenzahl bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent auf etwa 14.500 sinken. Das könnte – sofern es keine Neueinstellungen gibt – vollständig durch in Ruhestand gehende Arbeitnehmer abgedeckt werden, wie Hermann und seine Kollegen erklären.

Kaum Kündigungen nötig?

Der ursprüngliche Klimaschutzplan der Bundesregierung ist allerdings ehrgeiziger, nach diesem sollten die CO2-Emissionen im Stromsektor bis zum Jahr 2030 um rund 62 Prozent gegenüber 1990 sinken. In diesem Szenario würden dann noch rund 8000 Personen in der Braunkohlenindustrie arbeiten, wie die Forscher ausrechneten. Ihrer Meinung nach könnten aber auch die dadurch wegfallenden Arbeitsplätze größtenteils sozialverträglich über den Renteneintritt oder Frühverrentungen abgebaut werden. “Die Gefahr zahlloser Kündigungen ist sehr gering. Vielmehr kann der Strukturwandel in den Braunkohlerevieren mit der Ansiedlung neuer, zukunftsfähiger Unternehmen gestaltet werden”, so Hermann. Auch die Rekultivierung der Tagebaue schaffe neue Arbeitsplätze.

Das allerdings sieht der Bundesverband Braunkohle ganz anders. In einer Stellungnahme zur Studie des Öko-Instituts kritisiert er, dass die Bedeutung der Braunkohlenindustrie von den Autoren der Studie systematisch unterschätzt werde. “Indem sie ihre Betrachtung nur auf die Beschäftigten in der Braunkohlenindustrie begrenzt, verkennt die Studie die Tragweite der industriepolitischen und volkswirtschaftlichen Dimension eines raschen Kohlenausstiegs”, sagt Helmar Rendez vom Bundesverband Braunkohle. Auswirkungen eines vorzeitigen Kohlenausstiegs auf andere Unternehmen und Wirtschaftszweige wurden nach Ansicht von Rendez aber nur unzureichend berücksichtigt.

Quelle: Öko-Institut e. V. – Institut für angewandte Ökologie, Bundesverband Braunkohle; Studie zum Download

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