Der Klimawandel setzt zahlreiche biologische und physikalische Mechanismen in Gang, die die globale Erwärmung weiter verstärken. Ein Forschungsteam hat nun die bislang umfangreichste Liste solcher Rückkopplungsschleifen erstellt. Darunter sind 26 verstärkende Rückkopplungen, sieben Rückkopplungen mit milderndem Effekt und acht, deren Auswirkungen bislang unklar sind. Da einige der Mechanismen in bisherigen Klimamodellen nicht ausreichend erfasst sind, gehen die Autoren davon aus, dass Maßnahmen zur Begrenzung der CO2-Emissionen noch dringlicher sind als bisher angenommen.
Zahlreiche klimawandelbedingte Veränderungen können ihrerseits die Erwärmung weiter verstärken. Zu den bekanntesten Beispielen solcher positiven Rückkopplungen zählt das Abschmelzen der Eisschilde an den Polen der Erde. Da Wasser weniger Sonnenlicht reflektiert als Eis, erwärmt sich die Erde umso stärker, je weniger Eis noch vorhanden ist. Überdies sind im Permafrost große Mengen CO2 gespeichert. Taut dieser dauerhaft gefrorene Boden der arktischen Regionen, wird das Treibhausgas freigesetzt. Damit stellt das Tauen des Permafrosts einen Kipppunkt dar: Ist er einmal überschritten, lassen sich die schädlichen Auswirkungen nicht mehr rückgängig machen.
Wenig berücksichtigte Effekte
Während Rückkopplungen wie diese bereits in aktuelle Klimamodelle einfließen, sind zahlreiche weitere noch wenig erforscht und kaum berücksichtigt. Ein Team um William Ripple von der Oregon State University hat nun eine Liste von 41 zu erwartenden Rückkopplungsschleifen erstellt, darunter 26 verstärkende, sieben abschwächende und acht mit bislang uneindeutigem Effekt. „Soweit wir wissen, ist dies die umfangreichste Liste von Klima-Rückkopplungsschleifen, die es gibt, und nicht alle sind in den Klimamodellen vollständig berücksichtigt“, sagt Ripples Kollege Christopher Wolf.
Den Autoren zufolge werden viele der physikalischen Rückkopplungen zumindest teilweise in den aktuellen Modellen des Weltklimarats berücksichtigt. Gerade bei den biologischen Rückkopplungsmechanismen jedoch wurden viele erst unlängst identifiziert oder sind bislang unzureichend erforscht. Dazu zählt zum Beispiel die Ausdehnung von Wüsten, die sich sowohl auf die Reflektion von Sonnenlicht auswirkt, als auch auf die Masse an Pflanzen, die CO2 aufnehmen können. Insgesamt gehen die Autoren davon aus, dass die Wüstenfläche zunimmt und damit den Klimawandel verschärft.
Ein weiterer bislang wenig einbezogener ökologischer Effekt ist, dass ein wärmeres Klima das Risiko für Insektenplagen erhöht, die viele Bäume vernichten können und damit die Kapazität zur CO2-Aufnahme senken. Zu den abmildernden Rückkopplungen gehört dagegen, dass ein erhöhter CO2-Gehalt der Atmosphäre das Wachstum von Pflanzen fördert und so dazu beiträgt, dass die Vegetation etwas mehr von diesem Treibhausgas aufnehmen kann. Im Vergleich zu den zahlreichen verstärkenden Rückkopplungen haben die abmildernden allerdings nur einen geringeren Effekt. Bei weiteren Faktoren, darunter der durch den Klimawandel im Wandel begriffenen Ozeanzirkulation, ist der Effekt auf das Klima noch unklar.
Den Schaden begrenzen
„Was wir dringend brauchen, ist mehr Forschung und Modellierung sowie eine beschleunigte Reduzierung der Emissionen“, sagt Wolf. In ihrem wissenschaftlichen Kommentar rufen die Autoren politische Entscheidungsträger zu raschem Handeln auf. „Weitere kleine Erhöhungen der kurzfristigen Erwärmung stellen ein großes Risiko dar, wenn man bedenkt, wie sehr wir bereits unter Klimakatastrophen wie Waldbränden, heftigen Stürmen, Überschwemmungen an den Küsten, dem Auftauen von Permafrostböden und extremen Wetterereignissen leiden, die bei einer durchschnittlichen globalen Erwärmung von nur 1,1 bis 1,2 Grad Celsius aufgetreten sind“, schreiben sie. Zusätzlich gelte es, die langfristige Erwärmung zu bremsen, um zu verhindern, dass Kipppunkte überschritten werden.
„Um diese Herausforderungen sowohl kurz- als auch langfristig zu bewältigen, sind transformative, sozial gerechte Veränderungen in den Bereichen globale Energie und Verkehr, Luftverschmutzung, Nahrungsmittelproduktion, Naturschutz und internationale Wirtschaft sowie eine auf Bildung und Gleichberechtigung basierende Bevölkerungspolitik erforderlich“, so Ripple. Zusätzlich seien koordinierte Forschungsanstrengungen wichtig, um die Bedeutung von Rückkopplungsschleifen und Kipppunkten besser zu verstehen und zuverlässiger abschätzen zu können, wie schnell wir unsere CO2-Emissionen auf netto Null bringen müssen, um große Klimakatastrophen zu verhindern.
„Es ist zu spät, um die Folgen des Klimawandels vollständig zu verhindern, da die schwerwiegenden Auswirkungen bereits spürbar sind“, schreiben die Autoren. „Wenn wir jedoch die Rückkopplungsschleifen besser verstehen, bald die erforderlichen Veränderungen vornehmen und dabei die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse in den Vordergrund stellen, könnte es noch möglich sein, den Schaden zu begrenzen.“
Quelle: William Ripple (Oregon State University, Corvallis, USA) et al., One Earth, doi: 10.1016/j.oneear.2023.01.004