Wie verändert sich die Photosyntheserate von Pflanzen, wenn in der Umgebungsluft mehr CO2 zur Verfügung steht? Diese Frage beschäftigt Wissenschaftler schon lange und hat je nach Methode zu unterschiedlichen Einschätzungen geführt, in welchem Maße die Pflanzen zusätzliches CO2 aufnehmen. Eine neue Studie kommt nun zu dem Ergebnis, dass die Pflanzen heute etwa zwölf Prozent mehr Photosynthese betreiben als vor 30 Jahren – bei einem gleichzeitigen Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre um 17 Prozent. Dadurch verlangsamen die Pflanzen als natürlicher Speicher des Treibhausgases dessen Anreicherung in der Atmosphäre.
Bei der Photosynthese wandeln Pflanzen mit Hilfe von Sonnenlicht Wasser und CO2 in Zucker und Sauerstoff um. Einen Teil des gebundenen Kohlendioxids geben sie durch ihre eigene Zellatmung schnell wieder ab, ein anderer Teil wird in der Biomasse gebunden und erst später wieder freigesetzt, etwa wenn die Pflanze verrottet. Somit stellen Pflanzen eine wichtige terrestrische Kohlenstoffsenke dar. Bei steigendem CO2-Gehalt der Atmosphäre können die Pflanzen potenziell mehr Photosynthese betreiben und somit mehr CO2 speichern. In welchem Maße sie das allerdings tatsächlich tun, war bislang umstritten. Die Schätzungen reichten, je nach Methode, von einem kaum vorhandenen bis zu einen beträchtlichen Effekt.
Methoden kombiniert
Ein Team um Trevor Keenan von der University of California in Berkeley hat eine neue Einschätzung erstellt, die im Vergleich zu bisherigen Erhebungen weniger Unsicherheit aufweist. Dazu kombinierten die Forscher verschiedene Methoden: Zum einen stützten sie sich auf Daten aus dem Global Carbon Project, das die weltweiten Kohlenstoffsenken Jahr für Jahr abschätzt. Diese glichen sie mit Satellitendaten ab, die Auskunft darüber geben, welcher Anteil der Erde grün ist, wie viele Pflanzen also insgesamt Photosynthese betreiben können.
Während solche Satellitendaten gezeigt haben, dass sich der Grünanteil der Erde in den vergangenen Jahrzehnten erhöht hat, beziehen sie eine möglicherweise erhöhte Photosyntheseleistung der einzelnen Pflanzen nicht ein. Zusätzlich nutzten Keenan und sein Team daher Daten aus sogenannten terrestrischen Modellen der Biosphäre. Dabei werden unter anderem in Feldexperimenten Pflanzen gezielt einer erhöhten CO2-Konzentration ausgesetzt und gemessen, inwieweit sie dadurch mehr Photosynthese betreiben. All diese Methoden kombinierten die Forscher zusätzlich mit Algorithmen des maschinellen Lernens, um zu einer möglichst zuverlässigen Abschätzung zu kommen.
Mehr Photosynthese
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Anstieg des atmosphärischen CO2 seit 1982 zu einem starken Anstieg der globalen Photosynthese geführt hat“, berichten die Forscher. „Diese Reaktion auf die Kohlenstoffkonzentration wird durch standardmäßige satellitengestützte Methoden unterschätzt, aber durch terrestrische Biosphärenmodelle und ähnliche Methoden überschätzt.“ Keenan und seine Kollegen kommen zu dem Ergebnis, dass die Photosynthese von 1982 bis 2020 um zwölf Prozent zugenommen hat. „Damit liegt unsere Schätzung des Anstiegs in der Mitte der anderen Schätzungen“, sagte Keenan. „Bei der Erstellung unserer Berechnung konnten wir die anderen Schätzungen noch einmal überprüfen und verstehen, warum sie zu groß oder zu klein waren. Das gab uns Vertrauen in unsere Ergebnisse.“
Demnach nehmen die Pflanzen durch den erhöhten CO2-Gehalt der Atmosphäre 14 Milliarden Tonnen zusätzlichen Kohlenstoff auf. Zum Vergleich: Der gesamte menschenverursachte CO2-Ausstoß im Jahr 2020 betrug rund 35 Milliarden Tonnen. „Dies ist eine sehr starke Zunahme der Photosynthese, aber sie reicht bei weitem nicht aus, um die Menge an Kohlendioxid zu entfernen, die wir in die Atmosphäre abgeben“, ordnet Keenan ein. „Wir können den Klimawandel zwar nicht aufhalten, aber wir können ihn verlangsamen.“
Unklare Zukunft
Wie lange wir noch mit einem weiteren Anstieg der Photosynthese bei steigender CO2-Konzentration rechnen können, ist den Autoren zufolge allerdings unklar. „Wir wissen nicht, wie die Zukunft aussehen wird und wie die Pflanzen weiterhin auf das steigende Kohlendioxid reagieren werden”, sagt Keenan. „Wir gehen davon aus, dass es irgendwann zu einer Sättigung kommen wird, aber wir wissen nicht, wann und in welchem Ausmaß. An diesem Punkt werden die Landsenken eine viel geringere Kapazität haben, unsere Emissionen auszugleichen. Und Landsenken sind derzeit die einzige naturbasierte Lösung, die wir in unserem Instrumentarium zur Bekämpfung des Klimawandels haben.“
In einem begleitenden Kommentar zur Studie, der ebenfalls in der Fachzeitschrift “Nature” veröffentlicht wurde, weisen die Klimawissenschaftler Chris Huntingford und Rebecca Oliver vom UK Centre for Ecology and Hydrology in Oxfordshire darauf hin, dass bei der Vorhersage der CO2-Aufnahmekapazität der Pflanzen neben dem CO2-Gehalt der Atmosphäre auch weitere Faktoren relevant sind. „Wenn die CO2-Konzentrationen steigen, werden andere geochemische Kreisläufe zu limitierenden Faktoren des Pflanzenwachstums“, schreiben sie. Stehe beispielsweise zu wenig Stickstoff und Phosphor im Boden zur Verfügung, könne die Pflanze unabhängig vom CO2 nicht mehr Biomasse produzieren. „Missachtet man diese Zusammenhänge, kann dies zu einer zu optimistischen Einschätzung führen, wie viel CO2 die Pflanzen binden können.“
Quelle: Trevor Keenan (University of California, Berkeley, USA) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-021-04096-9