Stets optimal der Energiequelle zugewandt. Wie Pflanzen die Richtung des Lichts erfassen, haben Forscher nun weiter aufgeklärt. Sie haben ein optisches Element des lichtempfindlichen Pflanzengewebes entdeckt, das der Erfassung des Strahlungsgefälles dient: Durch ihre spezielle Beeinflussung des Lichts verstärken winzige Luftkanäle offenbar die Fähigkeit der pflanzlichen Photorezeptoren, den Lichtgradienten zu erkennen.
Woher kommt das Licht? Von den Mikroben über die Pflanzen bis zu den Tieren besitzen viele Lebewesen unterschiedliche Systeme, um die Ursprungsrichtung von Strahlung zu bestimmen. Diese Information kann dabei aus verschiedenen Gründen wichtig sein. Für Pflanzen hat sie aber eine besondere Bedeutung, da das Licht ihre Energiequelle darstellt. Sie nutzen ihre Fähigkeit zur Erkennung der Lichtrichtung dafür, sich möglichst günstig auszurichten. So können sie ihr Photosynthesesystem zum Aufbau chemischer Energieträger optimal beleuchten. Dieses lichtabhängige Bewegungssystem der Pflanzen wird als Phototropismus bezeichnet.
Gerichteter Lichtsensorik auf der Spur
Grundsätzlich ist bereits bekannt, dass dieses System auf der Funktion von sogenannten Photorezeptoren basiert, die sich in lichtsensiblen Pflanzengeweben befinden. Je nach Bestrahlungsstärke geben diese Sensoren physiologische Signale ab, die Veränderungen des Pflanzengewebes in bestimmten Bereichen hervorrufen, die zu Biegungsbewegungen von Stängel, Blatt und Co führen. Bei seitlicher Bestrahlung werden bei diesem System die dem Licht zugewandten Photorezeptoren stärker aktiviert als die abgewandten, wodurch sich der Phototropismus ergibt. Bisher war aber nicht bekannt, inwieweit auch optische Merkmale des Pflanzengewebes eine Rolle spielen, die der Erfassung durch die Photorezeptoren vorgelagert sind.
Wie das Forscherteam um Seniorautor Christian Fankhauser von der Universalität Lausanne berichtet, stand am Anfang der Studie der fragende Blick auf eine spezielle Mutante der Modellpflanze Arabidopsis thaliana: Diese Linie zeigt nicht das normale Ausrichtungsverhalten auf Lichtquellen. Ein weiteres auffälliges Merkmal ist, dass die Stiele der Keimlinge transparent wirkende, währende sie bei „normalen“ Exemplaren eher milchig-matt erscheinen. So entschloss sich das Team der Frage nachzugehen, ob dieses auffällige Merkmal etwas mit der gestörten Lichtwahrnehmung der Mutante zu tun hat.
Zunächst offenbarten mikroskopische Untersuchungen: „Das natürliche milchige Aussehen der Stängel der normalen Pflanzen ist auf das Vorhandensein von Luft in interzellulären Kanälchen zurückzuführen. In den Mutantenexemplaren ist diese Luft hingegen durch eine wässrige Flüssigkeit ersetzt, was ihnen das auffallend durchscheinende Aussehen verleiht“, berichtet Fankhauser. Bei normalen Pflanzen kommt es durch die winzigen Lufträume also zu einer deutlichen Beeinflussung des Lichts – in den Stängeln der Mutante hingegen weniger. Um genauer zu untersuchen, inwieweit die interzellulären Lufträume für den Phototropismus notwendig sind, fluteten die Forscher sie bei normalen Keimlingen durch eine Vakuuminfiltration. Die anschließenden Untersuchungen bestätigten dann: Diese Pflänzchen waren aufgrund ihrer transparent gemachten Stiele nicht mehr in der Lage, sich auf eine Lichtquelle auszurichten.
Der Lichtgradient wird deutlicher erkennbar
Doch welchen Effekt vermitteln die luftgefüllten Kanäle? Wie die Forscher erklären, beeinflussen diese Elemente das Licht in einer Weise, die zu einer Verstärkung des Strahlungsgradienten im Gewebe führt. Dieser Effekt kann dann von der Pflanze offenbar besonders gut zur Bestimmung der Lichtrichtung genutzt werden. „Luft und Wasser haben unterschiedliche Brechungsindizes. Dies führt zu einer speziellen Beeinflussung der Strahlung beim Durchgang durch das Pflanzengewebe“, erklärt Co-Autorin Martina Legris von der Universalität Lausanne. Der durch die Luftkanäle verstärkte Lichtgradient ist dabei offenbar so wichtig, dass er eine Voraussetzung für die effiziente phototrope Reaktion bildet, sagen die Wissenschaftler. Zumindest im Fall von Arabidopsis und Kohlgewächsen konnten sie diese Bedeutung nun nachweisen.
Das Team konnte zudem aufzeigen, welche Besonderheiten bei der Pflanzenmutante zu dem Fehlen der Luftkanälchen führen. Sie bilden demnach bestimmte Strukturelemente nicht aus, wodurch es zu der Flüssigkeitseinlagerung kommt. Dies basiert wiederum auf bestimmten genetischen Variationen, geht aus ihren Untersuchungen hervor. Diese Ergebnisse könnten damit nun der weiteren Erforschung der Bedeutung luftiger Strukturelemente in Pflanzen dienen. So könnten sich andere Fälle funktionaler Beeinflussung des Lichts zeigen und mehr. Denn Luftkanälchen spielen wohl auch eine wichtige Rolle beim Gasaustausch sowie für die pflanzliche Toleranz gegenüber Sauerstoffmangel bei Überflutungen.
Quelle: University of Lausanne, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.adh9384