Jedes Jahr hängen Zigtausend Deutsche stundenlang über der Schüssel ? Darmviren wie das Noro- oder das Rotavirus lassen grüßen. Schwedische Forscher haben nun entdeckt, wie die Erreger den Brechreiz auslösen: Sie erhöhen im Dünndarm den Spiegel des Hormons Serotonin, das dann vermehrt Impulse über den Vagus-Nerv ans Gehirn schickt. Dort wird ein Netzwerk aktiviert, das für die Kontrolle von fundamentalen Körperfunktionen zuständig ist und als Reaktion auf den Hormonanstieg Übelkeit verursacht. Diese Entdeckung könnte künftig helfen, eine effektivere Behandlungsmethode gegen den häufig sehr starken Brechreiz zu entwickeln. Vielversprechende Kandidaten gibt es bereits: Medikamente, die gegen Übelkeit bei Chemotherapien im Einsatz sind, basieren ebenfalls auf einer Senkung der Serotoninkonzentration.
Durchfallerkrankungen gehören weltweit nach wie vor zu den häufigsten Virus-Krankheiten. Allein in Entwicklungsländern sterben jährlich mehrere Hunderttausend Kinder an dem damit verbundenen Flüssigkeitsmangel. Die meisten Fälle gehen auf Noro- oder auf Rotaviren zurück, die bereits seit langem bekannt sind. Trotzdem war bislang unklar, wie genau die Erreger den meist sehr starken Brechreiz auslösen, der typischerweise bei diesen Infektionen auftritt. Dabei ist gerade der Brechreiz ein großes Problem bei der Behandlung der Krankheiten, denn er verhindert, dass die nährstoff- und mineralstoffreichen Flüssigkeiten vom Körper aufgenommen werden können.
Wissenschaftler der Universität Linköping haben sich nun die Auswirkungen einer Infektion mit Rotaviren auf den Verdauungstrakt genauer angeschaut. Demnach erhöht das Virus die Kalzium-Konzentration in bestimmten Zellen der Darmschleimhaut, den sogenannten enterochromaffinen Zellen, die daraufhin verstärkt den Botenstoff Serotonin produzieren. Sowohl in Zellkulturen im Labor als auch bei jungen Mäusen konnten die Forscher diesen Effekt nachweisen. Offenbar leitet dabei der Vagus-Nerv, der für die Steuerung praktisch aller inneren Organe zuständig ist, die Information über den erhöhten Serotoningehalt ans Gehirn weiter, wo die zuständigen Regionen schließlich den Befehl zum Erbrechen geben.
Eine ähnliche Wirkungskette wurde bereits bei Chemotherapie-Patienten beobachtet, bei denen Übelkeit und Erbrechen häufig als Nebenwirkung auftreten. Zur Behandlung sind Medikamente im Einsatz, welche das Serotonin-Signal blockieren. Für die Zukunft wäre laut Studienleiter Lennart Svensson diese Behandlungsmethode somit auch für Magen-Darm-Erkrankungen durch Rota- oder Noroviren denkbar. Der Professor für molekulare Virologie plant dazu eine klinische Studie mit infizierten Kindern in Brasilien, die noch in diesem Jahr starten soll.
Marie Hagbom (Universitet Linköping, Schweden) et al.: PLoS Pathogens, Bd. 7, Nr. 7, Artikel e1002115 wissenschaft.de – Marion Martin