US-Forscher haben herausgefunden, wie Süßwasserschnecken es schaffen, kopfüber unter der Wasseroberfläche entlang zu kriechen: Sie lassen sich mit Hilfe von Luft im Schneckenhaus bis zur Oberfläche treiben und produzieren dort eine Schleimschicht, in der sie winzige Wellen erzeugen. Aufgrund der Oberflächenspannung des Wassers sorgen diese Mini-Wellen für eine Spannungsdifferenz innerhalb der Schleimschicht, von der sich die Tiere vorwärts tragen lassen. Damit schaffen die nur einen Zentimeter großen Schnecken der Art Sorbeoconcha physidae die für Schneckenverhältnisse respektable Geschwindigkeit von zwei Millimetern pro Sekunde oder 7,20 Metern pro Stunde, schreiben die Wissenschaftler um Eric Lauga von der Universität von Kalifornien in San Diego.
Auf festem Boden funktioniert der Schneckenvortrieb ebenfalls über eine Scherspannung in der Schleimschicht unter dem muskulösen Fuß der Tiere, hatten Wissenschaftler bereits früher entdeckt: Der normalerweise klebrige Schleim verhält sich wie eine Flüssigkeit, sobald ausreichend große Scherkräfte auf ihn einwirken. Wenn also die Schnecke mit ihrem Fuß Druck auf die geleeartige Masse ausübt, bleibt sie in einigen Bereichen fest auf dem Boden haften, während sie an anderen Stellen wie ein Schmierstoff das Gleiten erleichtert.
Doch dieses Prinzip können die Tiere nicht eins zu eins auf die Fortbewegung unter Wasser übertragen, vor allem dann nicht, wenn sie direkt unter der Oberfläche hängen: Dort gibt es kein festes Medium, an dem sich die Schnecke per Schleim festheften kann. Wie schaffen die Süßwasserschnecken also das Kunststück, fragten sich Lauga und sein Team und nahmen die Bewegung von Sorbeoconcha physidae genauer unter die Lupe. Das Ergebnis: Die Schnecken kräuseln ihren Fuß zu winzigen Wellen, jede weniger als einen Millimeter lang, die sich automatisch bis in die Schleimschicht fortsetzen. An der Kontaktfläche mit der Luft wird die Verformung des Schleims durch die Oberflächenspannung jedoch behindert, so dass er dort deutlich glatter bleibt als direkt am Fuß ? ein Unterschied, der bereits ausreiche, um die Schnecke vorwärts zu bewegen.
Ob diese Spannungsdifferenz tatsächlich alles ist, was die Schnecken antreibt, bezweifeln die Forscher noch. Möglicherweise spielen auch unter Wasser die mechanischen und die Fließeigenschaften des Schleims eine Rolle, spekulieren sie. Allerdings verwenden nicht alle Wasserschnecken ein derartig ausgeklügeltes Antriebssystem: Einige Arten nutzen die Bewegung winziger Härchen für den Vortrieb, andere schwimmen und wieder andere kriechen einfach über den Boden.
Nature, Onlinedienst, DOI: 10.1038/news.2008.915 Originalarbeit der Forscher: Sungyon Lee (MIT) et al.: Physics of Fluids, in press ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel