Im März 2021 wurden an den Küsten Südafrikas hunderte tote Meerestiere angespült. Ursache war ein rapider Abfall der Wassertemperatur, verursacht durch nach oben strömendes kaltes Tiefenwasser. Forschende sind diesen Ereignissen nun auf den Grund gegangen. Die Ergebnisse zeigen, dass ähnliche Vorkommnisse durch die Erwärmung der Meere häufiger werden, und dass selbst große, sehr mobile Arten wie Bullenhaie durch die plötzlichen Veränderungen der Temperaturen gefährdet sind.
Mindestens 81 verschiedene Arten von Meeresorganismen wurden im März 2021 tot an der Küste Südafrikas angespült. Darunter befanden sich Haie, Rochen sowie zahlreiche weitere Fische und Wirbellose. Vorangegangen war dem Sterben eine ausgedehnte Hitzewelle, gefolgt von einer außergewöhnlich kalten Strömung im Bereich des Agulhasstroms im südwestlichen Indischen Ozean. Als größte Meeresströmung der Südhalbkugel transportiert der Agulhasstrom große Mengen warmen Wassers entlang der Ostküste Südafrikas nach Süden. In manchen Regionen des Stroms können starke Ostwinde in Kombination mit der Beschaffenheit des Meeresbodens dazu führen, dass nicht nur warmes Wasser polwärts strömt, sondern auch kaltes Wasser aus der Tiefe an die Oberfläche gelangt.
Extremereignis erforscht
Ein Team um Nicolas Lubitz von der James Cook University im australischen Queensland hat dieses Phänomen nun näher untersucht. „Die Auswirkungen auf die marinen Arten durch die jahreszeitlich bedingte Erwärmung der Ozeane sowie durch Hitzewellen sind gut belegt; die Folgen extremer Kälteereignisse sind jedoch kaum bekannt“, schreiben die Forschenden. Für ihre aktuelle Studie beschäftigten sie sich zum einen mit dem Extremereignis von 2021 und rekonstruierten, welche Bedingungen zu dem Massensterben führten.
Zum anderen analysierten sie Aufzeichnungen zu Meeresoberflächentemperatur und Wind aus den vergangenen Jahrzehnten, um herauszufinden, wie sich die Häufigkeit und die Intensität solcher kalten „Killer-Ereignisse“ seit 1981 entwickelt haben. Dabei betrachteten sie neben dem Agulhasstrom auch den Ostaustralstrom, der warmes Wasser aus der Südsee bis zur Nordküste Neuseelands transportiert. Zusätzlich untersuchten sie in einer Fallstudie an Bullenhaien, wie sich Meerestiere angesichts wechselnder Wassertemperaturen verhalten.
Rapider Temperatursturz
„Satellitendaten zeigen, dass die Oberflächentemperatur des Meeres vor Südafrika Anfang März 2021 innerhalb von 48 Stunden um bis zu 7,3 Grad Celsius abfiel“, berichtet das Team. In einer Wassertiefe von 30 Metern wurde sogar ein Temperatursturz um 9,2 Grad Celsius verzeichnet, von 21 Grad Celsius auf 11,8 Grad Celsius. Die Analysen der klimatischen Daten zeigten, dass in den vier Tagen vor dem marinen Kälteeinbruch starke Ostwinde vorkamen, die bekanntermaßen dafür sorgen, dass in der Küstenregion kaltes Wasser aus den tieferen Schichten des Meeres an die Oberfläche dringt.
Für viele Meeresbewohner war das fatal. Die vorangegangene Hitzewelle hatte dazu geführt, dass viele dieser Arten weiter polwärts gewandert waren, an die südliche Grenze ihres Verbreitungsgebiets. Die Kälte wiederum kam so plötzlich, dass ihnen keine Zeit mehr blieb, sich wieder in wärmere Gebiete zurückzuziehen. „Das betraf sogar sehr mobile Meeresorganismen wie Mantarochen und Bullenhaie, die dafür bekannt sind, große thermische Nischen zu besetzen“, berichtet das Team. „Das Ereignis von März 2021 macht deutlich, dass selbst sie plötzlicher, extremer Kälte erliegen können.“
Kälteereignisse nehmen zu
Doch wie wirkt sich der Klimawandel und die damit einhergehende Erwärmung von Atmosphäre und Ozeanen auf solche marinen Kältewellen aus? „Wir haben festgestellt, dass die Anzahl und Intensität der Kälteereignisse während der Sommer der Südhalbkugel zwischen 1981 und 2022 insgesamt zugenommen hat“, berichten Lubitz und seine Kollegen. Das galt sowohl für den Agulhasstrom als auch – in etwas geringerem Maße – für den Ostaustralstrom. Die treibenden Kräfte sind dabei den Forschenden zufolge in erste Linie die Meeresströmungen selbst, die in der Nähe der Kontinentalschelfe für Auftriebsströmungen aus der Tiefe sorgen. Hinzu kommen Winde, die diesen Auftrieb verstärken.
Um herauszufinden, wie die Veränderungen der Meerestemperaturen das Verhalten von Tieren beeinflussen, nutzen die Forschenden Daten von Bullenhaien, die für frühere Studien mit Sendern ausgestattet worden waren. Dabei zeigte sich, dass die Haie üblicherweise Wassertemperaturen unterhalb von 19 Grad Celsius mieden. Nur in der warmen Jahreszeit hielten sie sich am polwärts gelegenen Rand ihrer Verbreitungszone auf. Zudem zeigte sich, dass sie kalten Auftriebszonen möglichst auswichen, indem sie Schutz in Buchten oder Flussmündungen suchten.
Die Autoren fürchten jedoch, dass die zunehmende Erwärmung der Ozeane dazu führen kann, dass sich Bullenhaie und andere Meeresorganismen immer weiter in ihnen unbekannte südliche Gewässer vorwagen, die ursprünglich zu kalt für sie waren. Hier sind sie einem erhöhten Risiko für plötzliche Kälteströmungen ausgesetzt. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen die Komplexität der möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die marinen Ökosysteme und unterstreichen die Notwendigkeit, besser zu verstehen, wie der Klimawandel ökologische Prozesse rund um den Globus verändert“, so die Forschenden.
Quelle: Nicolas Lubitz (James Cook University, Queensland, Australien) et al., Nature Climate Change, doi: 10.1038/s41558-024-01966-8