Ein internationales Forscherteam hat Hinweise darauf gefunden, wie bakterielle Infektionen Autoimmunkrankheiten auslösen können: Durch den Kontakt mit den Erregern werden bestimmte körpereigene Zellen dazu animiert, vermehrt Substanzen zu bilden, wie sie auch in der Bakterienhülle vorkommen ? mit der Folge, dass das Immunsystem nicht nur die Mikroben, sondern auch die veränderten körpereigenen Zellen angreift und zerstört. So ließe sich beispielsweise die Zerstörung der Nervenzellen bei der Multiplen Sklerose erklären, berichten die Forscher.
Schon länger ist bekannt, dass Infektionen durch Bakterien oder Viren die Entstehung von
Autoimmunkrankheiten fördern können. Unklar ist jedoch, auf welche Weise die Erreger die Zerstörung des eigenen Körpergewebes durch das Immunsystem auslösen. Wissenschaftler vermuten, dass sich die Körperabwehr in solchen Fällen auf Schlüsselmoleküle bei den Mikroben konzentriert, die körpereigenen Substanzen ähneln. Aus diesem Grund greifen die gebildeten Antikörper nicht nur die Erreger an, sondern auch die Körperzellen, deren Oberflächen das entsprechende Molekül enthalten.
Gennaro De Libero und seine Kollegen haben in ihrer Studie nun einen weiteren, etwas anderen Mechanismus entdeckt. Demnach reagieren die Körperzellen auf den Kontakt mit bestimmten Erregern, indem sie verstärkt so genannte Sphingoglykolipide bilden. Diese Moleküle kommen auch in der Bakterienzellenwand vor und dienen dem Immunsystem als Erkennungszeichen, gegen das spezielle Antikörper produziert werden. Diese Abwehrproteine, die auch nach der erfolgreichen Bekämpfung der Erreger noch im Blutkreislauf bleiben, greifen dann nach und nach die veränderten Körperzellen ? im Fall von Multipler Sklerose die Zellen des Zentralen Nervensystems ? an und zerstören sie.
Um diese Reaktion auszulösen, reichten schon Bruchteile der Zellwand verschiedener Bakterien aus, schreiben die Forscher. Sie hoffen nun, auf der Basis ihrer Ergebnisse auch die Entstehung anderer Autoimmunkrankheiten besser verstehen und möglicherweise neue Therapien entwickeln zu können.
Gennaro De Libero (Universitätsspital Basel) et al.: Immunity, Bd. 22, S. 763
ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel