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Wie erkennen Tiere die richtige Mondphase?

Erde|Umwelt

Wie erkennen Tiere die richtige Mondphase?
Mondlicht
Mondlicht spielt eine wichtige Rolle für die Fortpflanzungszyklen von Meereslebewesen. © Carolina Castro

Viele Tiere richten ihr Reproduktionsverhalten nach den Phasen des Mondes. Doch wie sie dessen Licht von anderen natürlichen Lichtquellen unterscheiden, war bisher erst in Teilen geklärt. Jetzt haben Forscher am Beispiel eines marinen Borstenwurms ein Molekül identifiziert, dass als Lichtsensor fungiert. Seine je nach Art des Lichts unterschiedliche Reaktion erlaubt es den Tieren, Mond- und Sonnenlicht und damit die verschiedenen Taktgeber zu unterscheiden.

Der Mond steuert nicht nur die Gezeiten der Meere und bringt in Vollmondnächten so manchen um den Schlaf, sondern das Himmelsgestirn beeinflusst auch die Reproduktion vieler Meeresorganismen. Beispielsweise Braunalgen, Fische, Korallen, Schildkröten und Borstenwürmer synchronisieren ihr Verhalten und ihre Fortpflanzung mit dem Mondzyklus. Bei einigen Arten, wie dem marinen Borstenwurm Platynereis dumerilii, haben Laborexperimente gezeigt, dass das Mondlicht im Körper der Borstenwürmer als Taktgeber eines inneren Monatskalenders dient. Alle Organe, Zellen und körperliche Funktionen funktionieren dann im Rhythmus mit diesem Mondkalender und werden somit vom Mondlicht gesteuert.

Mond oder Sonne?

Doch in natürlichen Lebensräumen schwanken die Lichtverhältnisse erheblich – selbst wenn Wetterverhältnisse wie Wolkenbedeckung und Sturm vernachlässigt werden, erzeugt schon das regelmäßige Zusammenspiel von Sonne und Mond hochkomplexe Muster. Wie können die Tiere da unterscheiden? Bisher war dies unklar, allerdings liegt nahe, dass ähnlich wie bei der inneren Uhr des Menschen bestimmte Gene und die von ihnen erzeugten Moleküle eine Rolle spielen. „Mehrere Berichte verlinken die sogenannten Cryptochromere (CRYs) mit den Mondphasen und lassen vermuten, dass diese Gene in die zirkalunare Zeitmessung involviert sind“, erklären Birgit Poehn von der Universität Wien und ihre Kollegen. Die Wissenschaftler haben daher die Genetik und Biochemie einer Variante dieser Cryptochromere am Beispiel des Borstenwurms Platynereis dumerilii näher untersucht

Dabei zeigte sich, dass speziell das Molekül L-Cry je nach Lichtreiz unterschiedlich reagiert: “Wir haben nun herausgefunden, dass ein lichtempfindliches Molekül, L-Cry, in der Lage ist, zwischen verschiedenen Lichtwertigkeiten zu unterscheiden”, berichtet Poehn. Da der Mond und die Sonne mit ganz unterschiedlichen Lichtintensitäten strahlen, kann das Cryptochrom L-Cry somit als Lichtsensor die Intensität und Dauer des einfallenden Lichts messen. Dies erlaubt es ihm zwischen den Lichtquellen zu unterscheiden und hilft den Tieren, das „richtige“ Licht zu wählen, um ihr inneres Zeitmesssystem monatlich zu takten.

Auf die Intensität kommt es an

Das Cryptochrom L-Cry kann demnach zwischen verschiedenen Lichtquellen aufgrund der Intensität unterscheiden, doch wie genau funktioniert diese Reaktion? Wie Poehn und ihre Kollegen herausfanden, nimmt das Molekül als Reaktion auf Lichteinfall verschiedene molekulare Zustände an. Es enthält besondere Co-Faktoren, sogenannte Flavin-Adenin-Dinukleotide (FAD), die normalerweise an die Dunkelheit angepasst sind und die durch Licht in einen anderen biochemischen Zustand übergehen. Dieser wird je nach Lichtintensität und Dauer der Beleuchtung auf unterschiedliche Art und Weise erreicht. Beispielsweise sammeln L-Cry-Proteine unter Einfluss des vergleichsweise schwachen Mondlichts über mehrere Stunden hinweg eine geringe Anzahl an Photonen, wobei nur etwa die Hälfte aller FAD-Moleküle in einen anderen Zustand übergeht.

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Ganz anders sieht es beim deutlich intensiveren Sonnenlicht aus, das eine mehr als 10.000-fach höhere Photonenanzahl aufweist: Dadurch werden alle FAD-Moleküle innerhalb von Minuten biochemisch verändert. Die Forschenden vermuten, dass die L-Cry-Proteine je nach Zustand der FADs unterschiedliche strukturelle und biochemische Eigenschaften annehmen. Durch dieses Zusammenspiel kann der Borstenwurm einen weiten Bereich natürlicher Lichtintensitäten wahrnehmen und unterscheiden. Die Wissenschaftler konnten auch zeigen, dass L-Cry seine Position in der Zelle verändert, je nachdem, welchem Licht es ausgesetzt ist. Wie diese unterschiedliche Lokalisierung zu unterschiedlichen Signalwegen führt, die wiederum das Verhalten und die Physiologie der Borstenwürmer steuern, bleibt aber offen.

Künstliches Licht stört Mondkalender

Nach Ansicht des Forschungsteams könnte der grundlegende Mechanismus dieses molekularen Lichtsensors aber auch bei anderen Lebewesen als den Borstenwürmern vorhanden sein: „Es könnte sich um einen allgemeineren Mechanismus handeln, der den Organismen hilft, natürliche Lichtquellen zu interpretieren”, erklärt Seniorautorin Kristin Tessmar-Raible von der Universität Wien. “Dies ist für jeden Organismus, der seine Physiologie und sein Verhalten durch Licht steuert, von zentraler ökologischer Relevanz. Zudem ist Mondlicht nicht lediglich eine schwächere Version des Sonnenlichts, sondern hat eine ganz andere zeitlich-ökologische Bedeutung für Organismen.”

Die sensible Reaktion auf verschiedenen Lichtquellen bedeutet aber auch, dass Störungen durch künstliche nächtliche Lichtquellen eine ernsthafte Bedrohung für viele natürliche Ökosysteme und auch die menschliche Gesundheit darstellen. Ein besseres Verständnis der Art und Weise, wie Mondlicht wahrgenommen und verarbeitet wird, kann auch dazu beitragen, die negativen Auswirkungen von künstlichem Licht zu bewerten und zu begrenzen.

Quelle: Universität Wien, Fachartikel: Nature Communications; doi: 10.1038/s41467-022-32562-z

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