Vor rund 5,5 Millionen Jahren unterbrachen tektonische Veränderungen die Anbindung des Mittelmeers an den Atlantik. In der Folge wurde das Mittelmeer durch Verdunstung immer salziger und trocknete phasenweise fast vollständig aus. Eine Studie hat nun untersucht, wie sich diese sogenannte Messinische Salzkrise auf die im Mittelmeer heimischen Arten auswirkte. Demnach starben die meisten Arten aus und wurden nach der erneuten Flutung des Mittelmeerbeckens durch neue ersetzt. Bis sich die Artenvielfalt jedoch erholte, dauerte es den Forschenden zufolge mindestens 1,7 Millionen Jahre.
Bis heute zeugt eine kilometerdicke Salzschicht unter dem Mittelmeer von einer Katastrophe, die sich dort im Zeitraum vor 5,97 und 5,33 Millionen Jahre ereignete: die Messinische Salzkrise. In dieser Zeit verlor das Mittelmeer seine Verbindung zum Atlantik. Die Frischwasserzufuhr durch Regenfälle und Flüsse reichte nicht aus, um die Verdunstung auszugleichen. Ähnlich wie heute das Tote Meer wurde das Mittelmeer dadurch immer salzreicher und trocknete phasenweise nahezu vollständig aus. Als vor 5,33 Millionen Jahren erneute tektonische Veränderungen die Verbindung zum Atlantik durch die Straße von Gibraltar wieder öffneten, wurde das trockene Salzbecken innerhalb kürzester Zeit wieder geflutet und entwickelte sich zu dem Mittelmeer, wie wir es heute kennen.
Großes Aussterben
Ein Team um Konstantina Agiadi von der Universität Wien hat nun untersucht, wie sich diese Ereignisse auf die biologische Vielfalt im Mittelmeer auswirkten. Dazu analysierten die Forschenden mehr als 22.000 Fossilien aus der Zeit vor 12 bis 3,6 Millionen Jahren, die an Land in den Mittelmeeranrainerstaaten und in Sedimentbohrkernen vom Meeresgrund gefunden wurden. Dazu zählten sowohl die fossilen Überreste von winzigem Plankton, Weichtieren und Korallen, als auch Skelette großer Meerestiere bis hin zu Haien und Delfinen.
„Unsere Studie liefert die erste statistische Analyse dieser großen ökologischen Krise“, sagt Agiadi. Für die Zeit vor der Messinischen Salzkrise identifizierte das Team 2006 verschiedene Arten im MIttelmeer, von denen sie knapp 800 als endemisch einstuften, also als Arten, die ausschließlich im Mittelmeer vorkamen. In den Fossilien aus der Zeit nach der Krise fanden Agiadi und ihr Team nur noch 86 der endemischen Arten. „Mindestens 693 der mutmaßlich endemischen Spezies dagegen verschwanden“, berichtet das Team. „Von den übrigen Arten kann angenommen werden, dass einige während des Höhepunkts der Krise im benachbarten Atlantik Zuflucht gefunden haben. Fossile Belege dafür sind allerdings rar.“
Langsame Erholung
Nachdem das Mittelmeer wieder geflutet worden war, kamen nach und nach wieder Arten hinzu. Einige, die bereits früher in der Region gelebt und im Atlantik überdauert hatten, kehrten zurück in ihre ursprüngliche Heimat. Viele andere, darunter Weiße Haie und Ozeandelfine, wanderten neu ein. Insgesamt unterschieden sich rund zwei Drittel der Arten, die nach der Krise das Mittelmeer besiedelten, von denen, die dort zuvor gelebt hatten.
Bis die Artenvielfalt wieder ein ähnliches Niveau erreicht hatte wie vor der Messinischen Salzkrise, vergingen laut Agiadi und ihrem Team mindestens 1,7 Millionen Jahre. Dabei zeigte sich ein verändertes Muster der Biodiversität: Während vor der Versalzung und Austrocknung des Mittelmeeres die größte Artenvielfalt im östlichen Bereich herrschte, nahm die Artenvielfalt nach der Krise von Westen nach Osten hin ab – ein Muster, dass sich bis heute zeigt.
„Die Ergebnisse werfen eine Reihe neuer spannender Fragen auf“, sagt Co-Autor Daniel García-Castellanos von Geowissenschaften Barcelona in Spanien. „Wie und wo haben manche der endemischen Arten die Versalzung des Mittelmeeres überlebt? Und wie haben andere, ähnliche Ereignisse, die jeweiligen Ökosysteme verändert?“ Diesen Fragen wollen sich die Forschenden in zukünftigen Studien widmen.
Quelle: Konstantina Agiadi (Universität Wien, Österreich) et al., Science, doi: 10.1126/science.adp3703